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1.7 Bezirksverwaltung (BV) Gera

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Teilbestände

Struktur der Bezirksverwaltung (BV) Gera 1989

Leiter der Bezirksverwaltung

- Offizier für Sonderaufgaben (OfS)

- Auswertungs- und Kontrollgruppe (AKG)

- Abteilung XII (Auskunft, Speicher, Archiv)

- Abteilung Kader und Schulung (Abt. KuSch)

- Medizinischer Dienst (MD)

- Arbeitsgruppe des Leiters (AGL)

- Wach- und Sicherungseinheit (WSE)

- Abteilung IX (Untersuchungsorgan)

- Abteilung XIV (Untersuchungshaft, Strafvollzug)

- Abteilung 26 (Telefonüberwachung)

- Abteilung Finanzen (Abt. Fin.)

1. Stellvertreter Operativ

- Abteilung XVIII (Volkswirtschaft)

- Abteilung XIX (Verkehr, Post und Nachrichtenwesen)

- Abteilung XX (Staatsapparat, Kultur, Kirche, Untergrund)

- Arbeitsgruppe Geheimnisschutz (AG G)

- Objektdienststelle Carl Zeiss Jena

Stellvertreter Operativ

- Abteilung II (Spionageabwehr)

- Abteilung M (Postkontrolle)

- Abteilung VI (Grenzüberschreitender Verkehr, Tourismus)

- Abteilung VII (Ministerium des Innern, Deutsche Volkspolizei)

- Abteilung VIII (Beobachtung und Ermittlung)

- Arbeitsgruppe XXII (Terrorabwehr)

- Bezirkskoordinierungsgruppe (BKG)

- Selbständiges Referat Abwehr Wehrkommando (SR AWK)

- Selbständiges Referat Personenschutz (SR PS)

- Selbständiges Referat Grenzsicherheit (SR GS)

Stellvertreter für operative Technik/Sicherstellung

- Abteilung III (Funkaufklärung/Funkabwehr)

- Abteilung Operative Technik (Abt. OT)

- Abteilung Nachrichten (Abt. N)

- Abteilung XI (Chiffrierwesen)

- Selbständiges Referat Bewaffnung und Chemischer Dienst (SR BCD)

- Abteilung Rückwärtige Dienste (Abt. RD)

- Büro der Leitung (BdL)

Stellvertreter Aufklärung

- Abteilung XV (Aufklärung)

Kreisdienststellen (KD) (unterstanden dem Leiter der Bezirksverwaltung)

- KD Eisenberg

- KD Gera

- KD Greiz

- KD Jena

- KD Lobenstein

- KD Pößneck

- KD Rudolstadt

- KD Saalfeld

- KD Schleiz

- KD Stadtroda

- KD Zeulenroda

Weitere Unterlagen

- Leitung der Parteiorganisation (Leitung PO)

- Sportvereinigung Dynamo (SV Dyn.)

- Kartensammlung

Die Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Gera

Im Zuge einer Verwaltungsreform in der DDR wurden im Jahr 1952 aus den ursprünglich sechs Landesverwaltungen für Staatssicherheit (Brandenburg, Groß-Berlin, Mecklenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen) insgesamt 15 Bezirksverwaltungen für Staatssicherheit (BVfS) gebildet, analog den neu formierten Bezirken, zu denen auch Gera gehörte.

Die Diensteinheiten des Ministeriums und der Bezirksverwaltungen waren nach dem sogenannten Linienprinzip gegliedert, Diensteinheiten der Zentrale hatten demnach in der Regel ein Pendant in den Bezirksverwaltungen. So war z. B. in der Zentrale die Hauptabteilung XVIII für die Volkswirtschaft zuständig, in den Bezirksverwaltungen dementsprechend die Abteilung XVIII. Die Leiter der Bezirksverwaltungen für Staatssicherheit waren dem Minister für Staatssicherheit direkt unterstellt. Wie der Minister hatten sie jeweils vier Stellvertreter: Zwei waren für "operative Bereiche" zuständig, ein weiterer Stellvertreter koordinierte die "operativ-technische Sicherstellung" innerhalb der jeweiligen BV, und ein vierter war für die "Aufklärung" und somit für die Abteilung XV zuständig. Bei der Auslandsspionage hatte die Abt. XV bei der BV Gera im "Operationsgebiet" das Land Bayern zu bearbeiten.

In den Zuständigkeitsbereich der Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Gera gehörten elf Kreisdienststellen (Eisenberg, Gera, Greiz, Jena, Lobenstein, Pößneck, Rudolstadt, Saalfeld, Schleiz, Stadtroda, Zeulenroda), wovon Gera und Jena die politisch und ökonomisch bedeutendsten waren. Der Kreis Gera war als politisch-administratives Zentrum des Bezirkes und aus wirtschaftlichen Gründen wichtig. Jena war und ist nicht nur Universitätsstadt, sondern auch Standort bedeutender Unternehmen wie Carl Zeiss. Der Kreis Jena stand besonders häufig im Focus der geheimpolizeilichen Arbeit der Stasi, z. B. bei der Aktion "Lupe" gegen vermeintliche Agenten beim VEB Zeiss, oder als ein Schwerpunkt des Volksaufstandes am 17. Juni 1953 sowie als Aktionsfeld von Oppositionsgruppen in den 70er und 80er Jahren.

Drei der elf MfS-Kreisdienststellen lagen in Kreisen mit einer Grenze zur Bundesrepublik (Saalfeld, Schleiz und Lobenstein). Deshalb bestand in der BV Gera auch seit 1986 eine nur in Bezirken mit Westgrenze existierende Diensteinheit, die Unterabteilung Grenzsicherheit, welche im Juli 1989 in ein Selbständiges Referat umgewandelt wurde. In den genannten drei Kreisdienststellen wurden Grenzbeauftragte des MfS eingesetzt. Das Ziel war die Perfektionierung der Grenzsicherheit zur Verhinderung der "Republikflucht" von DDR-Bürgern in den Westen. Im heutigen Saale-Holzland-Kreis (damals im Kreis Eisenberg) und nahe der Stadt Gera liegt das Hermsdorfer Kreuz. Hier trifft die Autobahn 4 (Aachen – Eisenach – Görlitz) auf die Autobahn 9 (Berlin – Leipzig – München), damals eine der Transitstrecken nach Westberlin. Hier und an der Grenzübergangsstelle Rudolphstein–Hirschberg/ Saale, wurde bis 1989 der Reise- und Transitverkehr überwacht. Zum Bezirk Gera gehörte auch ein Eisenbahngrenzübergang für den Güter- und Personenverkehr – der Grenzbahnhof Probstzella (Kreis Saalfeld). Die an den Grenzübergängen agierenden Passkontrolleinheiten gehörten zur Staatssicherheit und waren im Rahmen der Linie VI der BV Gera unterstellt.

Zu den strukturellen Besonderheiten der Staatssicherheit im Bezirk Gera gehörten insbesondere zwei Dienststellen, die – abweichend vom sonst üblichen Territorialprinzip – eigens für die Überwachung wirtschaftlich und strategisch wichtiger Objekte gebildet worden waren. Dabei handelte es sich zum einen um die Objektdienststelle Zeiss zur Überwachung des Technologieunternehmens Kombinat VEB Carl Zeiss in Jena. Sie wurde 1968 gebildet und war der BV Gera unterstellt [1]. Zum anderen handelte es sich um eine Dienststelle für das nahe der Stadt Gera gelegene Ronneburger Revier der Sowjetisch-Deutschen Aktiengesellschaft "Wismut" (Uranerzförderung). Diese Dienststelle war von 1955 bis 1982 die Außendienststelle bzw. Objektdienststelle "W" in Ronneburg. Sie gehörte deshalb nicht zur BV Gera, sondern war eine Außenstelle der Objektverwaltung Wismut (OV "W") der Staatsicherheit. Letztere hatte – wie die als "Sonderzonen" geltenden Reviere der "Wismut" selbst – de facto einen exterritorialen Sonderstatus. Sie hatte den Rang einer eigenen Bezirksverwaltung im MfS und ihre "Sonderzonen" überschnitten sich mit Territorien mehrerer Bezirksverwaltungen der Staatssicherheit, einschließlich der BV Gera. Nach Auflösung dieser Objektverwaltung und Eingliederung des größten Teils in die BV Karl-Marx-Stadt im Jahr 1982 wurden die Objektdienststellen "W" in Ronneburg und Altenburg in das Referat "Wismut" der Kreisdienststelle Gera eingegliedert und somit auch die BV Gera für das Ronneburger Revier zuständig [2]. Gegen die ökologischen Folgen des Uranbergbaus organisierten besorgte DDR-Bürger in den 1980er Jahren Umweltinitiativen, die wiederum von der "Stasi" überwacht und bekämpft wurden [3].

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[1] Siehe Buthmann, Reinhard: Kadersicherung im Kombinat VEB Carl Zeiss Jena. Die Staatssicherheit und das Scheitern des Mikroelektronikprogramms. Berlin 1997.
[2] Siehe Aktenverzeichnis zur Abteilung Wismut in der Bezirksverwaltung Karl-Marx-Stadt des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR – bearbeitet von Birgit Rauch – Juli 2010; Reinhard Buthmann: Die Objektdienststellen des MfS (MfS-Handbuch). Hg. BStU. Berlin 1999.
[3] Siehe u. a. Die Stasi in Gera, Herausgeber: BStU, 2013, S. 42–45; Michael Beleites, Pechblende - der Uranbergbau in der DDR und seine Folgen. Lutherstadt Wittenberg 1988; M. Beleites, Untergrund. Ein Konflikt mit der Stasi in der Uran-Provinz. Berlin 1991.