Die Besetzung der Stasi-Zentrale
Am späten Nachmittag des gleichen Tages war es mit der neugewonnenen Harmonie vorbei. Wegen der Geschehnisse in Berlin-Lichtenberg musste die Sitzung unterbrochen werden.
Wenige Tage zuvor, am 10. Januar 1990, hatte das Neue Forum Berlin für den 15. Januar zu einer "Aktionskundgebung" vor der Stasi-Zentrale aufgerufen. Parolen waren: "Sofortige Schließung aller Stasi-Einrichtungen", "Hausverbot für alle Stasi-Mitarbeiter" und "Keine Bildung von neuen Geheimdiensten". Die Teilnehmer an der Kundgebung wurden aufgefordert, "Farbe und Spraydosen" mitzubringen, aber auch "Kalk und Mauersteine". Die Eingänge sollten symbolisch vermauert werden, so wie das zum Beispiel in Erfurt bereits im Dezember geschehen war.
Den regionalen Bürgerkomitees ging der Auflösungsprozess in Berlin entschieden zu langsam. Bei einem Treffen in Berlin am 14. Januar forderten sie, selbst die Dinge in die Hand zu nehmen und am 15. Januar, wie in den Regionen nun auch in Berlin, "die Kontrolle auf das Zentrale Amt" zu übertragen.
"Das Anliegen der BK [Bürgerkomitees] der Bezirke ist, per 15.1. die in den Bezirken bewährte Methode zur Auflösung des MfSMinisterium für Staatssicherheit
Das Ministerium für Staatssicherheit (umgangssprachlich oft kurz "Stasi") war politische...
Normannenstraße mit einzubringen und damit die Sicherstellung des Zentralen Amtes zu beginnen sowie [die] bisher nicht vorhandene Kontrolle auf das Zentrale Amt zu übertragen, unabhängig [von] der vom Neuen Forum für 17 Uhr aufgerufenen Demonstration vorm Objekt Normannenstraße. Zwischen VP [Volkspolizei] und NF [Neuem Forum] ist vereinbart, die personelle Räumung des Objektes bis 15 Uhr sowie die technische Sicherstellung des Objektes zu übernehmen."
Die außerhalb Berlins "bewährte Methode" war die Besetzung, die Versiegelung von Räumen und Stahlschränken in Kooperation mit der Staatsanwaltschaft und die Sicherung der Gebäude in "Sicherheitspartnerschaft" mit der Polizei. Dass dies "unabhängig" von der geplanten Aktion des Neuen Forum erfolgen sollte, die ja außerhalb des Gebäudekomplexes geplant war, bedeutete ein demonstratives Vorpreschen der Bezirkskomitees.
In der Zentrale des AfNS war man schon seit einigen Tagen darauf vorbereitet, dass sich etwas zusammenbraute. Am 11. Januar hatte man von der geplanten Demonstration des Neuen Forum erfahren: