Logistikzentrum und "Gewerbegebiet" der Staatssicherheit
Am südöstlichen Stadtrand von Berlin befand sich seit den späten 1960er Jahren der Dienstkomplex Freienbrink des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). Das als Sperrbezirk abgegrenzte riesige Areal wuchs über 20 Jahre lang zu einem multifunktionalen Logistikzentrum sowie zu Ausbildungs- und Freizeitstätte für die Bedürfnisse der Staatssicherheit in der "Hauptstadt der DDR".
Zum Inhalt springen
Ein sich fortwährend vergrößerndes Versorgungsunternehmen
1967 begann das MfS vor den Toren Berlins, im brandenburgischen Freienbrink, in einem riesigen Sperrgebiet in seinem Besitz logistische Aufgaben umzusetzen. Dieser "Dienstkomplex" südöstlich des Autobahnrings, von der Verwaltung Rückwärtige DiensteVerwaltung Rückwärtige Dienste 1974 entstanden aus der HA VuW, der HV B und ihr unterstellter bzw. zugeordneter Diensteinheiten... (VRD) geplant als logistisches Rückgrat für die MfS-Zentrale in Ost-Berlin, erfüllte diese Funktion in vielerlei Hinsicht. Denn das MfS fungierte nicht nur als Geheimpolizei, Inlandsgeheimdienst und Auslandsnachrichtendienst, sondern es war ebenso ein militärischer Verband und ein sich fortwährend vergrößerndes Versorgungsunternehmen für den Unterhalt des MfS-Dienstbetriebs, das aber auch offen für zusätzliche Aufgaben wirtschaftlicher Natur war.
Sammelplatz für Autos inmitten von Lagerhallen
Quelle: BStU, MfS, HAIX, Fo, Nr. 526, Bild 21
Die Großcontaineranlage wurde 1984/1985 in Betrieb genommen.
Quelle: BStu, MfS, VRD, Fo, Nr. 78, Bild 5
In den 1980er Jahren wurde das Gelände logistisch erschlossen, bis hin zur eigenen Autobahnausfahrt.
Quelle: BStU, MfS, HAIX, Fo, Nr. 527, Bild 59
Der Dienstkomplex Freienbrink verfügte über eine eigene Bungalowsiedlung.
Quelle: BStU, MfS, SED-Kreisleitung, Fo, Nr. 179, Bild 24
Lagerhallen, Bahnanschluss und Autobahnabfahrt
Bereits 1968 setzten nördlich von Freienbrink die Erschließungs- und Bauarbeiten ein. Zwei erste Großraumhallen mit Regalsystemen, die ein effizientes Lager-Management ermöglichen, machten den Anfang. Dutzende Lagerhallen für Militärgerät, Energieversorgung und Asservatenlagerung folgten. Auch Wohnblöcke zur Unterbringung der Mitarbeiter sowie später eine Bungalowsiedlungwurden errichtet. 1974 erhielt der Komplex ein eigenen Anschluss an die Bahnstrecke Berlin-Frankfurt/Oder für die nun umfangreicheren Logistik-Herausforderungen. 1981 bekam der Dienstkomplex eine eigene Autobahnabfahrt, "aus Gründen der Sicherheit und des Geheimschutzes." In den achtziger Jahren erweiterte das MfS die Vorratslagerung und installierte neben zwei zentralen Kohlenlagerplätzen auch ein Reserve-Tanklager für Kraftstoffe
1982 fiel die Entscheidung zum "Investitionsvorhaben Hundezwinger". Für die Abteilung Fahndung der Hauptabteilung VII (Innenministerium, Volkspolizei) entstanden im Folgenden 15 Hundegehege nebst 5 Quarantänezwinger, Trainingsanlagen und ein Sozialgebäude für die Hundeführer.
Quelle: BStU, MfS, HAVII, Nr. 7079, Bl. 89
Beschlagnahmte Autos, Mopeds, Motorräder, Wohnwagen, LKWs und Motorboote wurden in Freienbrink untergebracht.
Quelle: BStU, MfS, HAIX, Fo, Nr. 525, Bild 11
Freilufthalle mit eingezogenen Fahrzeugen
Quelle: BStU, MfS, HAIX, Fo, Nr. 523, Bild 43
Beschlagnahmte Autos wurden auch im Wald geparkt.
Quelle: BStU, MfS, HAIX, Fo, Nr. 526, Bild 33
Schwarzer Mercedes im Freiluftlager
Quelle: BStU, MfS, AS, Nr. 23/79, Bl. 30
Freiluftlager hinter einem Zaun, im Hintergrund Lagerhallen
Quelle: BStU, MfS, AS, Nr. 23/79, Bl. 32
Postkontrolle der Staatssicherheit
Quelle: BStU, MfS, Abt. M, Fo, Nr. 30, Bild 1
Asservatenkammer und Post-Diebstahl
Die Verwaltung Rückwärtige DiensteVerwaltung Rückwärtige Dienste 1974 entstanden aus der HA VuW, der HV B und ihr unterstellter bzw. zugeordneter Diensteinheiten... , verantwortlich für den Dienstkomplex, kümmerte sich auch um die Lagerung der in anderen Diensteinheiten - zum Beispiel in der Untersuchungsabteilung (Hauptabteilung IX) - anfallenden Asservate. Größere Asservate, wie beschlagnahmte Autos, Mopeds, Motorräder, Wohnwagen, LKWs und Motorboote kamen in der Regel nach Freienbrink. Im sogenannten BM 2 A - zwischen den heute noch stehenden zwei Regal-Lagerhallen und der zukünftigen Tesla-Ansiedlung - existierten zwei Freilufthallen, in denen die eingezogenen Fahrzeuge standen.
Zu den besonderen Kapiteln, die sich mit dem Dienstkomplex Freienbrink verbinden, zählt die systematische und großangelegte Ausplünderung von West-Paketen, die als sogenannte Irrläufer in die DDR fehlgeleitet wurden. Zuständig dafür zeichnete die Abteilung M (PostkontrollePostkontrolle Von Beginn an betrieb das MfS - neben gezielten Fahndungsmaßnahmen - eine systematische Kontrolle... ), die in ihren vielen konspirativen Objekten Brief- und Postsendungen abfing und heimlich öffnete. Offiziell nutzte die Abteilung M nur zwei zentrale Dienstobjekte: Das Haus 47 in der Stasi-Zentrale in Berlin-Lichtenberg und das "Außenobjekt Freienbrink". Der Bereich war allerdings auch im Dienstkomplex nochmal gesondert abgesichert, sodass bis heute nur wenige Dokumente über die Arbeit und keine zuordbaren Fotos existieren.
Plan des Geländes
Plan des Geländes
Quelle: BStU, MfS, Abt.BCD, Nr. 2870, Bl. 22
"BM" (Freienbrink) im Jahr 1989
Ende 1989 bestand das weitläufige Areal aus sechs separaten Sektoren. Jeder Bereich war gesondert gesichert, umzäunt und hatte einen eigenen Zugangsbereich. Insgesamt gab es ca. 35 Lagerhallen, unterirdische Tanks, umfangreiche Werkstätten und zehn getarnte geräumige oberirdische "Fertigteilbunker" für militärisches Equipment. Benannt waren die Sonderbereiche nach der Abkürzung für die gesamte Anlage "BM" in numerischer Reihenfolge von 1 bis 6. Um die 500 Mitarbeiter waren derweil dort beschäftigt, sie lebten im Ort oder auf dem Gelände und wurden u.a. durch eine eigene Poliklinik medizinisch versorgt. Heute ist das Gelände in Privatbesitz einer kommerziellen Infrastruktur- und Projektentwicklungsgesellschaft mit einer Mischung aus neuentstandenen Logistikbauten und alten MfS-Lagerhallen. Nördlich, angrenzend an das Areal entsteht seit 2020 eine neue Fabrik für die Produktion von Autos des US-Herstellers Tesla.
Lagerhalle in Freienbrink heute
Quelle: BStU / Halbrock
Halb überwucherte und verrostete Schienenreste
Quelle: BStU / Halbrock
Mit Graffiti bemalter und halb zugewachsener Wachturm
Quelle: BStU / Halbrock
Externer Link
Deutschlandarchiv
Die Logistik der Repression
Ein ausführlicher Artikel zum Komplex Freienbrink des Historikers Christian Halbrock (Stasi-Unterlagen-Archiv) unter Mitarbeit von Susan Pethe (Stasi-Unterlagen-Archiv) findet sich im Deutschland-Archiv.
mehr