Lageplan,
Quelle:
BStU, MfS, Liegenschaften, Nr. 2624, Bl. 26
Der Stasi-Bunker am "Waldschlößchen"
Die "Ausweichführungsstelle" der ehemaligen Bezirksverwaltung Schwerin des MfS
In der Nähe der Stadt Crivitz ließ die MfS-Bezirksverwaltung Schwerin einen Bunker errichten. Hier sollte auch unter Spannungs- und Kriegsbedingungen eine "standhafte, ununterbrochene und gedeckte Führung" möglich sein.
Die Angst der Partei- und Staatsführung der DDR vor einem erneuten Aufstand der Bevölkerung und vor militärischen Angriffen führte in den 60er Jahren zur Schaffung eines zentralen Mobilmachungssystems. Es wurde ständig überarbeitet und sollte im "Ernstfall" zum Einsatz kommen.
Ein Bestandteil dieses Systems waren die Bezirkseinsatzleitungen (BEL). Ihnen gehörten die Spitzenvertreter des jeweiligen Bezirks aus Politik und Sicherheitsbehörden an (SED, MfSMinisterium für Staatssicherheit Das Ministerium für Staatssicherheit (umgangssprachlich oft kurz "Stasi") war politische... , Volkspolizei, NVA-Wehrbezirkskommando, Rat des Bezirks, Zivilverteidigung), den Vorsitz hatte der 1. Sekretär der jeweiligen SED-Bezirksleitung inne. Sie unterstanden dem Nationalen Verteidigungsrat und arbeiteten nach dessen Beschlüssen. Mit dem Befehl 1/67 "Inhalt und Ziel der Mobilmachungsarbeit im MfS" verfügte das Ministerium für StaatssicherheitMinisterium für Staatssicherheit Das Ministerium für Staatssicherheit (umgangssprachlich oft kurz "Stasi") war politische... (MfS) Einzelheiten zur Mobilmachung für seinen Bereich.
Weitere Dokumente regelten den Bau und die Unterhaltung von Ausweichräumen ("operative Ausweichführungsstellen [-punkte] und operative Reserveausweichführungsstellen"). Von 1968 bis in die 80er Jahre wurden unterirdische "Schutzbauten" (Bunker) errichtet. In diesen sollte auch unter Spannungs- und Kriegsbedingungen eine "standhafte, ununterbrochene und gedeckte Führung" möglich sein.
Für diese Schutzanlagen galt strengste Geheimhaltung. Innerhalb der Staatssicherheit firmierten Planung und Durchführung unter dem Tarnnamen "Filigran".
Bau und Unterhaltung der Bunkeranlagen verschlangen Millionen. Die ehrgeizigen Pläne stießen allerdings an wirtschaftliche Grenzen. So fehlte zum Beispiel der Beton, mit dem die Bunker gebaut wurden, dann beim Wohnungsbau. Schließlich wurde in nachfolgenden Jahren immer mehr an Ausrüstung, Sicherheitsstandards (Dicke der Wände, technische Ausrüstung) und Einrichtung gespart.
In den 80er Jahren stellte das MfSMinisterium für Staatssicherheit Das Ministerium für Staatssicherheit (umgangssprachlich oft kurz "Stasi") war politische... fest, dass etliche geplante Vorhaben zum Bunker-Bau in der DDR nicht realisiert werden konnten. Jetzt sollten in den Dienstgebäuden oder anderen als sicher geltenden Bauten Ausweichführungsstellen eingerichtet werden. Einige Vorhaben wurden abgebrochen, Bunker wurden nicht mehr fertiggestellt. Die vorhandenen wurden in einem "ständigen Zustand der Aufnahmebereitschaft" gehalten. Im Jahr 1988 benötigte die Bezirksverwaltung Schwerin 1.468 Schutzplätze. 360 waren bis dahin fertiggestellt.
Nur wenige Unterlagen enthalten Hinweise auf die Schutzbauten und die Ausweichführungsstellen. Die geheimen Dokumente gab es nur in wenigen Ausfertigungen. Ein großer Teil dieser Unterlagen ist in der Auflösungsphase vernichtet worden.
Die Suche nach dem Schutzbau für die Bezirksverwaltung des MfS in Schwerin führt in die Nähe der kleinen Stadt Crivitz. Wenige Kilometer von Schwerin entfernt, eingebettet in ein Forstgebiet, sind auch die oberirdischen Bauten nicht von der Straße her einzusehen. 1972 wurde mit dem Bau des Bunkers begonnen. Das Verwenden von Betonfertigteilen ermöglichte ein schnelles Verfüllen der Baugrube, so dass selbst die Bevölkerung nahe gelegener Orte nichts von der Bautätigkeit ahnte.
Das Grundstück befand sich seit 1965 in Rechtsträgerschaft des MfSMinisterium für Staatssicherheit Das Ministerium für Staatssicherheit (umgangssprachlich oft kurz "Stasi") war politische... (fast 2 ha), hinzu kamen 14 ha laut Nutzungsvertrag mit dem Staatlichen Forstbetrieb von 1968.
Die Bauweise des Führungsbunker wird als "Montagebau aus Stahlbetonelementen mit teilweiser Hermetisierung" beschrieben.
Einige Daten:
Größe:
1405,8 Quadratmeter (40,05 m x 35,10 m).
Ausstattung/Ausrüstung:
Tanklager mit 5000 Liter Diesel
Filter
mehrere Notausstiege
Brunnen mit einer Leistung von 6 Kubikmeter/Stunde
Reservebehälter mit 3000 Litern Wasser
Wasseraufbereitungsanlage mit einer Leistung von 3 Liter/Stunde
4 Notstromaggregate mit zusammen 36 KW
Es gibt Hinweise auf Rekonstruktionsmaßnahmen in den Jahren 1985/86. Erneut floss viel Geld in Bausubstanz, Technik und Ausrüstung.
Hier einige Angaben zu Bewirtschaftungskosten, zu denen bislang Nachweise gefunden wurden:
1983 - 10.000 Mark
1984 - 25.000 Mark
1985 - 35.000 Mark
1987 - 26.000 Mark
Stasi-Mediathek
"Verwendung der finanziellen Mittel 1983 zur Errichtung und zum weiteren Ausbau der Schutzbauwerke"
In dem vorliegenden Dokument ist die Verwendung der finanziellen Mittel für den Bau und Ausbau von Bunkern in den Bezirksverwaltungen und Abteilungen der Staatssicherheit für das Jahr 1983 aufgelistet. Insgesamt standen für die Baumaßnahmen 2,5 Millionen DDR-Mark zur Verfügung.
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Im Januar 1990 wurde das Objekt im Zuge der Auflösung des damaligen Bezirksamtes für Nationale Sicherheit an die NVA übergeben. Einige Tage vorher richtete das "Neue Forum" eine "Mahnwache" ein.
Laut Übergabeprotokoll wurden damals "in funktionsfähigem Zustand mit Inventar und Ausrüstung übernommen:
eine geschützte Führungsstelle
ein Mehrzweckgebäude
ein Wohnhaus
ein Dienstgebäude
eine Lagerhalle
eine Großgarage
ein Werkstattbereich
eine Schießplatzanlage".
Jetzt gehört die Liegenschaft dem Land Mecklenburg-Vorpommern und wird teilweise durch das Technische Landesmuseum genutzt. Seit 1989 erfolgte keine weitere Nutzung des Bunkers. Strom und Versorgungsleitungen wurden abgeschaltet, so dass eine gefahrlose Begehung nur eingeschränkt möglich ist. Einige Zeit stand das Bauwerk zentimetertief unter Wasser.
Ein Plan aus Stasi-Unterlagen informiert über die Lage der einzelnen Gebäude und des Bunkers. Die Angaben zur Nutzung der Gebäude sind teilweise nur mündlich überliefert und nicht durch Dokumente belegt.
Quelle: BStU, MfS, Liegenschaften, Nr. 2624, Bl. 26
Fotodokumentation
Aufnahmen vom Frühjahr 2006 zeigen den heutigen Zustand des Bunkers und das dazugehörige Gelände. Der Bunker ist nicht für die Öffentlichkeit zugänglich.
Dieser Saal befindet sich in dem Mehrzweckgebäude (Lager) und wurde für Veranstaltungen genutzt.
Quelle: BStU / Außenstelle Schwerin
Ein Raum im Mehrzweckgebäude (Lager) stand für den Leiter der Bezirksverwaltung Schwerin des Staatssicherheitsdienstes, Werner Korth, zur Verfügung.
Quelle: BStU / Außenstelle Schwerin
Hinter dem Mehrzweckgebäude (Lager) befindet sich auf der linken Seite ein Gebäude (Telefonhaus), in dem sich die Telefonzentrale befand.
Quelle: BStU, Außenstelle Schwerin
Links im Hintergrund ist das Bürogebäude zu sehen, rechts die Pumpstation mit Feuerlöschteich.
Quelle: BStU / Außenstelle Schwerin
Auf der linken Seite, am Ende des Zufahrtweges, ist gegenüber der Pumpstation hinter den Bäumen die Lagerhalle erkennbar. Sie tarnte den Eingang zum Bunker.
Quelle: BStU / Außenstelle Schwerin
An der Giebelseite der Lagerhalle führt die rechte Tür zu einem Eingang des Bunkers. Die eigentliche Lagerhalle (linkes Tor) nutzt heute das Technische Landesmuseum.
Quelle: BStU / Außenstelle Schwerin
Diese Eingangstür zum Bunker fungierte als Hermetisierungsschleuse.
Quelle: BStU / Außenstelle Schwerin
Dieses Sicherheitssystem befindet sich neben der Eingangstür. Ein geheimer Zahlencode soll den Eingang zum Bunker ermöglicht haben.
Quelle: BStU / Außenstelle Schwerin
Die Türen lassen teilweise erkennen, für welche Nutzung sie vorgesehen waren. Diese Beschriftung verweist auf den Raum des Stabschefs. Die Abkürzung bedeutet: Information/Auswertung/Lage (Lagebesprechung).
Quelle: BStU / Außenstelle Schwerin
Der Besprechungsraum (Grundriss Nummer 12) war der größte Raum des Bunkers. Einrichtungsgegenstände sind hier nicht mehr vorhanden.
Quelle: BStU / Außenstelle Schwerin
Dieser Raum (Grundriss Nummer 10) war für die Lagegruppe "Kernstrahlungs-, chemische und bakteriologische Auswertung" (KCB-Auswertungs-Gruppe) vorgesehen.
Quelle: BStU / Außenstelle Schwerin
Dieser Tank konnte 3000 Liter Trinkwasser speichern. Der Bunker war mit einer Trinkwasserfilteranlage ausgestattet.
Quelle: BStU / Außenstelle Schwerin
Im Notfall gab es die Möglichkeit, die Belüftung manuell anzutreiben. Eines der dazu vorgesehenen Fahrräder zeigt dieses Bild.
Quelle: BStU / Außenstelle Schwerin
Von dieser Schalttafel aus sollte die Energieversorgung geregelt werden.
Quelle: BStU / Außenstelle Schwerin
Dieser russische Absorptionsfilter war die letzte Reinigungsstufe für radioaktiv verseuchte Luft.
Quelle: BStU / Außenstelle Schwerin
Dieser Vorfliter war zum Reinigen der Luft vorgesehen. Er konnte etwa 20,4 kg radioaktiven Staub aufnehmen.
Quelle: BStU / Außenstelle Schwerin
Quellen und weiterführende Literatur
BStU, MfSMinisterium für Staatssicherheit Das Ministerium für Staatssicherheit (umgangssprachlich oft kurz "Stasi") war politische... , AGM, Nr. 116, Nr. 247, Nr. 1330, Nr. 1832, Nr. 1838, Nr. 1842
BStU, MfS, Liegenschaften, Nr. 1601-1602
Best, Stefan: Geheime Bunkeranlagen in der DDR, Stuttgart 2003