Direkt zum Seiteninhalt springen
Im Vordergrund befindet sich eine Formation mehrerer Frauen auf Stelzen und in hohen, bunten Reifröcken, dahiner folgen weitere Menschen in historischen Kostümen aus dem 18./19. Jahrhundert und Umzugswagen. An der Seite stehen links und rechts jeweils dicht gedrängt Zuschauerinnen und Zuschauer. Im Hintergrund sind der Palast der Republik und der Berliner Dom zu sehen.

Jubel, Trubel, Heiterkeit?

Im Ost- wie im Westteil der Stadt feierte Berlin 1987 sein 750-jähriges Jubiläum. Beide Stadthälften hatten das Ziel, sich bestmöglich zu präsentieren. Denn von Anfang an war klar, dass mit den Feierlichkeiten nicht nur die Stadt selbst, sondern Ost- und West-Berlin auch als Aushängeschilder des jeweiligen politischen Systems wahrgenommen wurden.

Um sich als weltoffene Stadt zu präsentieren, lud die SED-Führung eine Vielzahl von internationalen Künstlerinnen und Künstlern nach Ost-Berlin ein. Zu den ersten Großereignissen zählten Mitte März 1987 mehrere Konzerte mit Peter Maffay, Shakin‘ Stevens sowie dem New Orleans Soul Festival in der Werner-Seelenbinder-Halle in Prenzlauer Berg. Die "Sicherung" der Konzerte über viele Tage hinweg war für das MfS eine logistische Herausforderung. Sie sollte "feindliche Einflüsse", ohne Aufsehen zu erregen, unterbinden und verfasste massenhaft entsprechende Maßnahmenpläne. De facto bedeutete dies, die allseits propagierte Weltoffenheit des Regimes zu konterkarieren und zwar im Auftrag des Regimes.

Auf der Schwarz-Weiß-Aufnahme sind acht Personen abgebildet, die an das Grenzsperrgebiet an der Straße Unter den Linden gekommen waren, um dem "Concert for Berlin", das am Reichstagsgebäude in West-Berlin stattfand, zuhören. Im Vordergrund läuft ein junger Mann mit Frisur und Kleidung im Punk-Stil. Vor einer Absperrung, die sich aus einer brusthohen Mauer und einem Zaun zusammensetzt, sitzt ein junges Paar mit einem weißen Plakat in den Händen. Drei Frauen und zwei Männer stehen vor dem Zaun, einer der Männer mit Blick über den Pariser Platz in Richtung Brandenburger Tor, das im Hintergrund des Fotos zu sehen ist.

Wie fragil die Situation und wie herausfordernd diese Aufgabe waren, zeigte sich Anfang Juni 1987. Der West-Berliner Senat hatte während des Pfingstfests zum"Concert for Berlin" hochkarätige Musiker und Bands wie David Bowie, Genesis und die Eurythmics eingeladen. Ganz bewusst fand das Konzert vor dem Reichstagsgebäude in unmittelbarer Nähe zur Mauer statt - mit einer Vielzahl an Lautsprechern, die Richtung Osten zeigten: eine Jubiläumsfeier über die Mauer hinweg. Von Tag zu Tag strömte auf der Ostseite ein immer größeres Publikum zum Brandenburger Tor. Der Radiosender RIAS 2 übertrug die Konzerte zwar landesweit, aber viele wollten die Atmosphäre vor Ort erleben. Stasi und Volkspolizei waren überfordert. Ihnen entglitt die Situation und die Menschenmenge sollte aufgelöst werden. Entgegen der Anweisung, keine "Vorfälle" entstehen zu lassen, wurden zum Teil Journalisten und Jugendliche niedergeknüppelt.

Dokument in der Stasi-Mediathek ansehen

Im Vordergrund befindet sich eine Formation mehrerer Frauen auf Stelzen und in hohen, bunten Reifröcken, dahiner folgen weitere Menschen in historischen Kostümen aus dem 18./19. Jahrhundert und Umzugswagen. An der Seite stehen links und rechts jeweils dicht gedrängt Zuschauerinnen und Zuschauer. Im Hintergrund sind der Palast der Republik und der Berliner Dom zu sehen.

Der öffentliche Höhepunkt des Jubiläums in Ost-Berlin war der historische Festumzug am 4. Juli 1987. Mehr als 43 000 Teilnehmende stellten die Stadtgeschichte nach, ohne dabei jedoch auf die Nachkriegsgeschichte einzugehen. Für die Stasi bedeutete das die größte Sicherungsmaßnahme während des Jubiläums. Nach den Erfahrungen des Pfingstkonzerts in West-Berlin drängte die Geheimpolizei darauf, mehrere "Handlungsvarianten" im Zusammenspiel mit allen beteiligten Diensteinheiten zu planen, um so bei einem ungeplanten Verlauf effizienter und unauffälliger reagieren zu können. Der historische Festumzug rief bei vielen große Begeisterung hervor, vor allem jedoch, weil er das verkörperte, was die DDR nicht war: innovativ, überraschend und bunt. Die Kluft zum Alltag der Mangelwirtschaft, den zerfallenen Straßen und den fehlenden Freiheiten war danach umso deutlicher.

Weitere Informationen

Publikation

Stasi in Berlin

Die DDR-Geheimpolizei in der geteilten Stadt

Die Länderstudie "Stasi in Berlin" dokumentiert die Geschichte der Staatssicherheit in der ehemaligen "Hauptstadt der DDR" unter regionalhistorischer Fragestellung.

Thema

"Mister Gorbachev, tear down this wall!"

1987 feierte Berlin sein 750-jähriges Stadtjubiläum - getrennt in Ost und West. Einer der hochrangigsten Gäste, die auf Einladung West-Berlins die Stadt besuchten, war US-Präsident Ronald Reagan. Am 12. Juni hielt er am Brandenburger Tor eine Rede, in der er sich nicht nur an die West-Berliner wandte, sondern auch an den Generalsekretär der KPdSU Michail Gorbatschow.

Thema

Bob Dylan 1987 in Ost-Berlin

Wie die Stasi das Konzert im Treptower Park einschätzte

Am 17. September 1987, während der 750-Jahr-Feier von Berlin, trat der amerikanische Musiker Bob Dylan im Ost-Berliner Treptower Park vor ca 100.000 Zuschauern auf. Die Stasi überwachte wie bei jedem Großereignis die Geschehnisse genau, achtete auf unliebsame Aktivitäten der eigenen Bevölkerung und leitete "Sicherungsmaßnahmen" ein.