[Jingle]
Sprecherin: "111 Kilometer Akten - [Ausschnitt einer Rede von Erich Mielke: ..ist für die Interessen der Arbeiterklasse!] - der offizielle Podcast des Stasi-Unterlagen-Archivs".
Maximilian Schönherr: Willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcast. Ich bin Maximilian Schönherr, Journalist für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Mitbegründer des Archivradios in der ARD.
Dagmar Hovestädt: Und ich bin Dagmar Hovestädt, zweite Gastgeberin im Podcast und Sprecherin des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen. Heute haben wir quasi eine kleine Premiere.
Maximilian Schönherr: Also Dagmar, so toll ich die heutige Folge finde, Premieren hatten wir schon einige. Und das in 17 Folgen dieses Podcasts, da hat das Gebälk schon ordentlich geknarrt. Du sprichst heute mit einer sehr speziellen Person einer Jahrhundert-Zeitzeugin, von der ich noch nie etwas gehört hatte.
Dagmar Hovestädt: Sehr viel müssen wir heute vorab glaube ich nicht unbedingt erklären. Es geht um eine bewegte Biographie. Salomea Genin wurde 1932 in Berlin geboren, Kind polnisch-jüdischer Eltern. Mit ihrer Mutter und zwei Schwestern konnte sie 1939 vor den Nazis fliehen, nach Australien. Und von dort wollte sie wieder zurück, nach Deutschland und landete in der DDR. Sie war eine überzeugte Kommunistin und als solche war sie auch der Staatssicherheit zu Diensten.
Maximilian Schönherr: Jedes Detail dieses kurzen biografischen Abrisses, den Du gerade gegeben hast, wird in diesem Podcast sehr lebendig. Allein die Einreise in die DDR von West-Berlin aus. Ich will nicht zu viel verraten, aber: Frau Genin wollte unbedingt in die DDR übersiedeln - aber man ließ sie nicht. Bis zu einem ganz bestimmtem Ereignis.Du stellst einmal in dem Gespräch heraus, dass dieser Podcast sich ja um das Stasi-Archiv dreht. Nach dem Zusammenbruch der DDR wurde das Archiv geöffnet. Und dann greift bei Salomea Genin plötzlich die Täter-Perspektive, und sie darf vieles in den Akten nicht lesen.
Dagmar Hovestädt: So ein Gespräch ist genau wegen dieser Perspektive auch nicht so einfach. Wer vom SED-Regime verfolgt wurde, wer von der Stasi bespitzelt wurde und dessen Leben aus den Fugen geriet, der mag vielleicht nicht immer denen zuhören, die das zu verantworten haben. Im Sinne allerdings der Erkenntnis, wer macht in solchen Regimen warum mit? Wie funktioniert das? Was denken sich Menschen dabei? Finde ich eben auch das Gespräch mit denen, die das zu verantworten haben, wenn sie offen und reflektiert darüber sprechen, sehr lehrreich.
Maximilian Schönherr: Beim Hören Eures Gesprächs sind mir quasi subkutan zwei Dinge aufgefallen: Frau Genin ist sehr selbstbewusst, sie lässt Dich manchmal beim Formulieren deiner Fragen nicht ausreden. Wie stelle ich mir das vor Ort vor?
Dagmar Hovestädt: Sagen wir mal so: Wir sitzen mit ein bisschen Abstand an zwei Seiten eines Tisches. Man wird da schon auch sehr behutsam, zurückhaltend und respektvoll, wenn man einem Menschen von 88 Jahren gegenüber sitzt, der sich mit so viel Verve durch die Erzählung seines eigenen Lebens bewegt. Und sie hat ja auch nicht zum ersten Mal erzählt, ich habe sie da dennoch nicht unterbrechen oder sortieren wollen, sonder sie auch einfach viel erzählen lassen.Was war das Zweite, was Dir subkutan aufgefallen ist?
Maximilian Schönherr: Dass es mir vorkam, als sei Salomea Genin in der DDR privilegiert gewesen, und zwar noch privilegierter als es für IM oft ermöglicht wurde. Sie spricht kritisch über die Partei, der sie angehört – das hätte andere in den Knast gebracht oder vor Gericht zumindest. Sie reist dauernd herum, auch in den Westen, als gäbe es keine Mauer, als fiele sie auch den West-Behörden gar nicht auf, also das war alles sehr easy.
Dagmar Hovestädt: Ja, das stimmt. Das sollte man auch im Hinterkopf haben, weil sie im Gespräch viel über das Reisen spricht.
Und hier muss ich mich korrigieren – diesen Einschub, den Sie jetzt hier hören – den habe ich im Mai 2021 in diesen Podcast eingefügt, der im September 2020 aufgenommen wurde. Ich habe damals gesagt, dass Salomea Genin mit ihrem australischen Pass relativ ungehindert reisen konnte. Sie hat mich aber vor kurzem darauf hingewiesen, dass sie diesen Pass nie für die Reisen benutzt hat. Sie ist immer mit ihrem DDR-Pass gereist. Wie das ging, dazu sagte sie in ihrer Mail, die ich hiermit verlese:
Meine Privilegien beschränkten sich auf die VdN (Verfolgte des Naziregimes) Bestimmungen, die für alle VdNer galten. D.h. wenn ich eine neue Wohnung brauchte, wurde ich bevorzugt, ich musste nur fünf Jahre auf einen Trabant warten, ich bekam ziemlich schnell ein Telefon, was vermutlich mehr damit zu tun hatte, dass sie mich abhören wollten. Ich konnte nicht einfach reisen wie ich wollte. Aus der DDR reiste ich mehrmals als Reisekader und Übersetzerin offiziell mit Delegationen. Das war für die kurze Zeit von zwei Jahren bevor mein großer Sohn in West-Berlin blieb.
Der Umstand, dass dieser Sohn in West-Berlin geblieben ist, hat allerdings mit einem Privileg zu tun. Salomea Genin schreibt dazu weiter:
Als ich mit Sondergenehmigung von Erich Honecker - ja, DIE zu bekommen war ein Privileg – mit den Jungs 1983 nach Melbourne fuhr, war das mit dem DDR Pass, weil die Australier mir den australischen weggenommen hatten. Als der älteste nicht mit zurückkam, wurde ich von der Reisekader Liste gestrichen. Danach reiste ich erst wieder als Rentnerin.
Es stimmt nicht, dass das Reisen so easy war, wie Maximilian Schönherr in dem Podcast sagt. Der große Unterschied zu anderen DDR-Bürgern war, dass das Reisen mich nicht so interessierte. Schließlich war ich schon vier mal von Europa nach Australien und zurück gefahren. Die Reisesehnsucht der Anderen hatte ich nicht.
Soweit die E-Mail von Salomea Genin. Sie hat Recht, die Umstände ihrer Reisen sollten auch korrekt beschrieben sein. Und damit dann weiter im ursprünglichen Text vom September 2020.
Sie hatte sicherlich nicht das ganz typische durchschnittliche Leben, aber das passiert ja öfter, wenn man einmal anfängt, mit Menschen über ihr Leben und ihre Lebensstationen zu sprechen, fällt das konkret erzählte Leben schnell aus dem Normalen raus. Aber hier kommt schon auch sehr viel deutsche Geschichte zusammen. Sie kann mit ihren 88 Jahren auf einiges zurückblicken.
Maximilian Schönherr: Und schließlich eine Sache müssen wir klarstellen. Ihr sprecht in der zweiten Hälfte über den Aktenzugang, und Frau Genin gesteht quasi augenzwinkernd, so meine ich das gehört zu haben, dass sie als ehemalige Stasi-Spionin auch Kopien von Berichten bekommen hat, die sie nicht hätte lesen dürfen. Die kamen natürlich nicht vom BStU?
Dagmar Hovestädt: Nein, sie hatte da nur das Recht auf Unterlagen die zu ihr als Person angelegt sind quasi die Personalakte der Stasi und sie hat dann diese Berichte, ich sag mal zufällig, von Journalisten bekommen. Das Stasi-Unterlagen-Gesetz ist da ziemlich klar: Inoffizielle Mitarbeiter erhalten Unterlagen zu ihrer eigenen Person, aber nicht die Berichte, die sie abgefasst haben. Das fanden die Urheber des Gesetzes nicht wirklich angemessen, dass der Spitzel Jahre später oder Jahrzehnte später seine Berichte nachlesen darf. Davor sollten die Menschen, die bespitzelt wurden, geschützt werden. Aber Journalisten haben ja einen Zugang auch zu den Unterlagen von IM haben, können diese auch durch die publizistische Tätigkeit veröffentlichen und dann wie hier in diesem Fall bei der Quelle, bei Salomea Genin gelandet. Ich denke aber, dass sie damit auch verantwortungsvoll umgegangen ist und sie hat sie ja auch in ihrem Buch ja genutzt und damit gearbeitet.
Maximilian Schönherr: Dann also legen wir los.
Dagmar Hovestädt: Okay.
[Jingle]
Dagmar Hovestädt: Salomea Genin, ich habe in Vorbereitung auf unser Gespräch heute überlegt, wann wir uns das erste Mal getroffen haben. Ich glaube das war so drei, vier Jahre her. Da waren Sie im Stasi-Unterlagen-Archiv, da in der Behörde am Alexanderplatz und da ging es um ein Interview für eine australische Dokumentarfilmproduktion.
Salomea Genin: Ja.
Dagmar Hovestädt: Haben Sie den Film jemals gesehen?
Salomea Genin: [lacht] Der hat den Film nicht fertig gemacht. Es war ihm zu kompliziert. Er hat das aufgegeben.
Dagmar Hovestädt: Das hat uns zumindestens zusammengebracht. Wir haben uns unterhalten und ich hab Ihr Leben doch sehr spannend gefunden. Sie haben mir damals von Ihrem Buch erzählt "Ich folgte den falschen Göttern", 2009 erschienen zum 20. Jahrestag des Mauerfalls. Und wir haben uns darüber unterhalten, dass das eine so spannende deutsche Biografie ist, die Sie in diesem Buch auch reflektieren und das trotzdem niemanden so wirklich interessiert hat. Haben Sie, mit ein bisschen Abstand, heute verstanden, warum die Leute sich nicht mit dem Buch beschäftigen wollten?
Salomea Genin: Ich brauchte etwa zwei Jahre darüber nachdenken und bin zu einer Meinung gekommen. Für Journalisten zu schreiben über jemanden, der ein Nazi-Opfer war, ein jüdisches Nazi-Opfer war; sich mutiert zu einer Täterin der Stasi – wenn man darüber schreibt, da kann man in so viele Fettnäpfchen rein treten! Da hat einfach, denke ich mir, keiner den Mut gehabt darüber zu schreiben.Es waren nur ganz wenige kleine Zeitungen, die von meinem Buch überhaupt Notiz nahmen.
Dagmar Hovestädt: Ein Leben, das man eben nicht mit diesen Schablonen so einfach einordnen kann, ne?
Salomea Genin: Richtig.
Dagmar Hovestädt: Das kann ich mir gut vorstellen. Die Erzählungen zu dem IM der Stasi ist eben sehr spezifisch und die Erzählung zu der vertriebenen Jüdin vor dem Nazi-Regime auch.
Salomea Genin: Ja, auch sehr spezifisch.
Dagmar Hovestädt: Und die zusammen in einer Person!
Salomea Genin: Ja.
Dagmar Hovestädt: Das versuchen wir jetzt mal ein bisschen auszupacken. [Salomea Genin lacht leicht] Ob wir dadurch ein bisschen mehr verstehen. Wie das zusammenhängt und dass die Schablonen einem nur mittelbar wirklich weiterhelfen zu begreifen, was passiert.
Salomea Genin: Richtig.
Dagmar Hovestädt: Ich würde anfangen mit den Entscheidungen, die dazu geführt haben, dass der Kommunismus für Salomea Genin so eine wichtige Funktion erhielt. Und dazu kurz nochmal zu der Entscheidung nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, also nach der Flucht nach Australien, eine Zukunft dann doch wieder in Deutschland eigentlich zu suchen. Warum sollte es eigentlich wieder zurückgehen in das Land, wo auch große Teile der Familie umgebracht worden sind?
Salomea Genin: Das kann ich nur auf zwei Ebenen beantworten. Als ich 12 war und in dieser sehr dysfunktionalen Familie in Melbourne aufgewachsen war, wo meine Mutter fest überzeugt war: Kinder verstehen ja nichts. Sie hat zwar alles in meiner Gegenwart erzählt, sodass ich alles wusste, aber wenn ich versuchte etwas zu sagen, hat sie mich immer bei Seite geschoben. Und meine acht und 16 Jahre älteren Schwestern haben es ihr genauso nachgemacht. Ich fühlte mich sehr einsam in dieser Familie. Und meine acht Jahre ältere Schwester, die war eigentlich für mich wie eine zweite Mutter. Weil meine Mutter hatte mich, als ich geboren wurde, an sie mehr oder weniger abgeschoben.Und als ich 12 war, 1944, da hat Renia gesagt: Du warst ein so stilles, ruhiges Kind und offensichtlich warst du nicht glücklich. Und so hatte sie mich mitgenommen zum Kommunistischen Jugendverband. Weil sie war schon ein Jahr davor in die Kommunistische Partei eingetreten.Und das glaube ich, muss ich auch heute erklären. Weil im Jahre '44 da war Australien ein Teil der Anti-Hitler-Koalition und die Sowjetunion war auch ein Teil davon. Während in den Jahren '39, '40, '41 bis die Deutschen die Sowjetunion angegriffen haben, wurde sehr wohl in Australien über Gulags und Menschenrechtsverletzungen und so weiter in den australischen Medien berichtet. Aber sobald die Sowjetunion angegriffen wurde, verschwanden alle diese Berichte, sodass 1943 meine Schwester keine Probleme hatte, in die Kommunistische Partei einzutreten und mich zum Kommunistischen Jugendverband mitzunehmen.Und dort wurde ich von den Leuten, die alle älter waren als ich, sie ahnten nicht, dass ich 12 war. [Dagmar Hovestädt lacht] Ich sah ja eher aus wie zwischen 16 und 20. Ich war physisch sehr weit entwickelt. Und die haben Interesse an mir gefunden. Sie fragten mich: Was machst du so? Und das ich noch zur Schule ging, na ja, das war normal. Einige von denen gingen auch in die Schule noch.Und da hörte ich bei dem ersten Abend, wo ich bei einer ihrer Versammlungen war, einen Vortrag von der Generalsekretärin dieses Verbandes Audrey Blake über: Was ist der Sozialismus und wie er bereits schon in der Sowjetunion funktioniert. Und das es eine gerechte Gesellschaft ist, wo es keine Ausbeutung gibt. Wo es keine Armut gibt in dem Sinne, wie wir das schon kannten. Und dann sagte sie: Der Kapitalismus, der ist ja die Ursache für all diese Kriege, die wir haben, und auch für diesen Krieg, den wir jetzt gerade kämpfen. Und das klassische Beispiel dafür, wie der Kapitalismus funktioniert, sieht man in Deutschland, wo die Deutschen die Juden zum Sündenbock gemacht haben. Und da horchte ich erst richtig auf! Weil jetzt habe ich plötzlich verstanden, warum wir Deutschland hatten verlassen müssen.
Dagmar Hovestädt: Mhmh.
Salomea Genin: Ich brauchte Jahrzehnte, um mir das einzugestehen, sage ich. Die Partei wurde mein Familienersatz und die Ideologie mein Religionsersatz. Aber das hätte ich vor 30 Jahren – jemand, der mir das gesagt hätte vor 30 Jahren und es haben mir ein paar genau das gesagt – na ja, denen habe ich natürlich einen Vogel gezeigt.
Dagmar Hovestädt: Aber das erklärt, warum mit dieser Geschichte Ihrer Kindheit und Jugend, der Flucht; trotzdem der Wunsch nach Rückkehr da war, aber dann natürlich nicht nach Rückkehr in das- -
Salomea Genin: Na, Moment. Das erklärt es nicht unbedingt. Ich sagte auf zwei Ebenen.Auf der bewussten Ebene war das Politische. Ich wollte mithelfen, dass nie wieder Krieg und nie wieder Faschismus von deutschem Boden ausgeht. Und ich wollte mithelfen, dass die deutsche Jugend nie wieder auf einen Hitler reinfällt. Und wollte Geschichtslehrerin werden in der DDR. Das war auf der politischen Ebene.Aber ich hatte eine völlig unbewusste, sehr persönliche Ebene. Ich wusste da noch nicht – und das wurde mir erst klar, da war ich fast 50 Jahre alt – dass ich als jüdisches Kleinkind im Nazi-Berlin sehr traumatisiert wurde. Nicht nur durch meine Einsamkeit in der Familie, sondern von der Feindschaft, die ich auch erlebt habe. Ja? Und mir wurde ja eigentlich beigebracht, zwischen meinem zweiten und sechsten Lebensjahr, dass ich ein dreckiges jüdisches Ungeziefer bin. Ich habe eigentlich den ganzen Antisemitismus da aufgenommen. Das wurde mir, zu meiner großen Überraschung, im Jahre '72 bewusst. Und der Umstand war bei meinem allerersten Besuch in Israel. In dem Jahr landete ich in Tel Aviv im Flughafen und ich war umgeben von vielen Menschen, die gestikulierten und laut waren und – also, solche Leute hatte ich schon lange nicht mehr erlebt. In Melbourne natürlich, da hatte ich ja unter Juden gelebt.
Dagmar Hovestädt: Mhmh.
Salomea Genin: Und ich merkte, dass in mir ein Widerwillen hochkommt. Mit denen will ich nix zu tun haben! Und plötzlich wurde mir bewusst: Mein Gott, du hast den Nazi-Antisemitismus verinnerlicht!Na ja, ab dann hab ich daran gearbeitet, das wieder loszuwerden.
Dagmar Hovestädt: Ja. Aber, um nochmal auf die Rückkehrgeschichte zu kommen.
Salomea Genin: Ja.
Dagmar Hovestädt: Also, theoretisch hätte man natürlich auch junge Menschen als Geschichtslehrerin in Australien weiter- -
Salomea Genin: Nö. Das wäre nie dasselbe gewesen. Mit deutscher Jugend wollte ich arbeiten.
Dagmar Hovestädt: Okay. Aber das musste dann die DDR-Jugend sein, weil die Bundesrepublik für Sie nicht- -
Salomea Genin: Oh ja, da waren ganz viele Nazis. Das wusste ich.
Dagmar Hovestädt: Es war nicht so einfach in den 50er Jahren, mit ihrer Biografie in die DDR einzureisen.
Salomea Genin: Das ist richtig. 1951 war in Ost-Berlin die" III. Weltfestspiele der Jugend und Studenten" gegen Imperialismus und für Frieden und so weiter. Und da wusste ich: Auf dieser australischen Delegation, da muss ich mit. Ich will mir Ost-Berlin angucken um zu sehen, ob ich wirklich da in dieses Land gehöre.
Dagmar Hovestädt: Ja.
Salomea Genin: Und ich kam da an und ich habe – kann ich heute nu' sagen – alles durch eine rosarote Brille gesehen. Ich habe gesehen, was ich sehen wollte! Aber als ich den Antrag stellen wollte, für 6 Monate in der DDR leben zu wollen, um das richtig festzustellen; konnte ich das nicht. Weil der zuständige Mitarbeiter zufällig nicht da war. Also ich musste abreisen, weil die DDR mir kein Visum gab. Und na ja, so wie ich gebaut bin. Je höher die Hürden wurden, desto mehr war ich ja überzeugt: Hier gehöre ich wirklich hin. Und so fuhr ich mit der australischen Delegation zurück und wusste: Ich muss in die DDR! Und bin 1954 abgefahren, abgefahren noch mit dem Schiff damals, und nach West-Berlin und stellte den Antrag, in der DDR zu wohnen – der wieder ignoriert wurde. Und dann hab ich neun Jahre gekämpft! Um in die DDR zu kommen und das habe ich nur deswegen geschafft, weil die Mauer gebaut wurde.
Dagmar Hovestädt: Und das war trotzdem in Ordnung, in ein Land zu reisen, dass sich mit einer Mauer abschottet in die andere Richtung?
Salomea Genin: Wissen Sie, Sie müssen versuchen, sich in die Lage von Berlin damals zurückzuversetzen. Also ich wohnte in West-Berlin und habe erlebt, wie viele Nazis da noch sind. Ich habe natürlich mich versteckt. Ich hab den wenigsten Leuten gesagt, wer ich bin. Geschweige denn, dass ich Kommunistin war.
Dagmar Hovestädt: Die DDR, Ost-Berlin wird dann '62 quasi wirklich Ihre Heimat. Also, Sie verlassen den Westen- -
Salomea Genin: Ab '63 hatte ich das Gefühl: Jetzt bin ich nach Hause gekommen.
Dagmar Hovestädt: Und wann trat dann in der DDR die Stasi in Ihr Leben?
Salomea Genin: Die Stasi trat in mein Leben noch als ich in West-Berlin war, nachdem die Mauer gebaut wurde. Ich spazierte auf der Schönhauser Allee in Ost-Berlin und wurde angesprochen von einem sehr freundlichen Herrn, der mir einen Gruß von einer in Ost-Berlin lebenden Gewerkschafterin gab.
Dagmar Hovestädt: Wann war das?
Salomea Genin: Das war 1961. Im November '61. Und ich hatte nämlich als West-Berlinerin mich an die Gewerkschaften in Ost-Berlin gewandt und hatte da angeboten zu vermitteln mit den West-Berliner Gewerkschaften.Und so hatte ich diese Frau kennengelernt und jetzt kriege ich einen Gruß von ihr und er lädt mich zum Kaffee ein und das waren sehr angenehme paar Stunden, die ich mit ihm verbrachte. Und dann haben wir uns für die Woche darauf noch verabredet und er brachte dann einen recht gutaussehenden Herrn mit, größer als ich, der sich vorstellte als "vom Ministerium für Staatssicherheit der Deutschen Demokratischen Republik".Nun, ich war ja sehr frustriert in West-Berlin lebend. Ich durfte keinem sagen, dass ich Kommunistin bin. Mir fehlten die politischen Aktivitäten aus Melbourne. Und als die mir, dieser Herr mir erzählte, dass sie mich in West-Berlin brauchen, weil seitdem die Mauer gebaut wurde und die Mauer war ja notwendig, weil die DDR dabei war auszubluten finanziell, das war sie wirklich, ja? Und das sah ich ja auch! Deswegen war ich ja auch für die Mauer. Die Genossen damals waren alle für die Mauer.Ich war etwas überrascht, nachdem sie schon zehn Tage stand, dass es kaum möglich war zu telefonieren zwischen Ost und West, weil das von Ost-Berlin da mehr oder weniger fast gekappt wurde. Und auch, dass die Ost-Berliner nicht mehr nach West-Berlin durften. Das hat mich überrascht, das habe ich nicht erwartet, als die Mauer gebaut wurde am 13., als die gebaut wurde.
Dagmar Hovestädt: Aber sie sollte ja verhindern, dass Menschen rausgehen.
Salomea Genin: Na das habe ich doch – nein! Das war nicht das Ziel der Mauer! Das Ziel der Mauer war, dass die DDR nicht ausblutet, ökonomisch.
Dagmar Hovestädt: Aber, also wenn man eine Mauer baut und sie ist durchlässig, dann bleibt es ja beim Ausbluten, weil es ja durchlässig ist. Also kann sie ja nur funktionieren, wenn man sie wirklich dicht macht.
Salomea Genin: So weit habe ich nicht gedacht.
Dagmar Hovestädt: Okay.
Salomea Genin: Ja und ich kannte doch mehrere Genossen in Ost-Berlin und wir waren uns alle einig: Diese Mauer ist notwendig. Ja. Ja.Na ja, was vor allen Dingen – dieser Stasi-Mensch, der Genosse Pohl mir gesagt hat, ist, dass seitdem die Mauer gebaut wurde, wissen sie nicht mehr, was in West-Berlin los ist. "Und wir wissen ja, dass der Westen die DDR ja zerstören will. Und es ist wichtig, dass wir erfahren, was in West-Berlin passiert, um das zu verhindern."Also, ich habe überlegt und habe beschlossen: Ja, ich werde mich darauf einlassen. Auch, weil ich mich politisch wieder betätigen wollte. Sie haben mich gebeten tanzen zu gehen, wo die amerikanischen und britischen Truppen tanzen gingen. Und sie haben mich gebeten, mich zu bewerben als Sekretärin, was ja mein Beruf war, und da habe ich denen gesagt: Also, ich kann mir nicht vorstellen, dass die mich einstellen. Denn in Melbourne war ich eine bekannte Kommunistin. In den 90er Jahren habe ich meine Stasi-Akten gelesen und habe gesehen, die haben mir dit nicht geglaubt. [Dagmar Hovestädt lacht] Aber es hat sich so herausgestellt, denn ich habe mich beworben und die haben mich natürlich abgelehnt.
Dagmar Hovestädt: Das heißt Sie waren für ungefähr ein Jahr nach Mauerbau bis dann zu Übersiedlung- -
Salomea Genin: Anderthalb Jahre.
Dagmar Hovestädt: Anderthalb Jahre quasi als Spionin in West-Berlin für die Stasi in Ost-Berlin tätig.
Salomea Genin: Ja. Und das geht an die Nerven. Besonders, wenn man so einsam ist wie ich das damals war. Und so habe ich nach anderthalb Jahren gemerkt – ich arbeitete damals bei Schering als Sekretärin – ich hatte eines Morgens Angst auf die Straße zu gehen. Und da wusste ich: Okay, jetzt bin ich nah an einem Nervenzusammenbruch. Und so bin ich über die Grenze gegangen, habe mich wieder verabredet mit dem Stasi-Offizier und habe ihm gesagt: Also, du weißt, ich will ja eigentlich immer in die DDR und ich kann nicht mehr. Und wenn ihr mich nicht rüber bringt, dann haue ich hier ab und vergesse die DDR!Na ja, dit wollte er auch nicht. Also hat er mir einen sogenannten Verlobten in Ost-Berlin gegeben, dass ich jedem in West-Berlin sagen sollte ich heirate nach Hamburg – nicht in die DDR. Und aber denen im Osten sagen könnte, ich heirate diesen Verlobten. Also, was man die "Legende" nennt.Na ja und so bin ich dann am 16. Mai 1963 – stieg ich in die S-Bahn, mit einem Köfferchen und ging zum nächsten, wie vereinbart, Polizeirevier und dort wurde ich abgeholt und in ein Übergangslager gebracht. Da gab es ein paar in der DDR damals.
Dagmar Hovestädt: Ja, Sie waren nicht die einzige, die aus dem Westen- -
Salomea Genin: Nein, ich war nicht die einzige, das ist richtig. Ja, ich war ungefähr acht Wochen in so einem Übergangslager. Nee, zwei Übergangslager eigentlich. Ja und dann bekam ich eine Wohnung zugesprochen und bin dann zu RAW gegangen. Elektroapparate Werke Treptow, was in der Vergangenheit AEG gewesen ist, und habe dort angeboten, als englische Sekretärin zu arbeiten. Na ja, sie brauchten mich. Also ich dachte, die Auslandsabteilung. Nein, da haben sie genug Leute. Wat, Leute die so Englisch sprechen wie ich? Dacht ich mir, dat kann doch gar nicht sein! [Dagmar Hovestädt lacht]Aber okay, dann wurde ich in die Rechnungsabteilung gesetzt. Weil da tippte ich Rechnungen für Indien. Sie haben Millionen Stromzähler für Indien hergestellt. Und da musste ich achtfach die Rechnungen schreiben und das Englische war ein einziger Satz, den ich immer wiederholt habe. Ja.
Dagmar Hovestädt: Das heißt Sie übersiedeln. Sie bekommen eine Wohnung zugewiesen, Sie haben einen Job und ist die Stasi nach wie vor in Ihrem Leben relevant?
Salomea Genin: Ja, nach drei Monaten klopften sie an meine Tür. Und da kam ein Punkt, wo – also ich wusste ja nicht, was Depressionen sind. In meiner Familie – und ich sage heute, wir litten alle unter Depressionen – war immer die Rede davon: Du hast ja schon wieder schlechte Laune, komm hör auf! Ja?Ich wusste nicht, was ein Trauma ist. Dass ich ein zutiefst traumatisierter Mensch war, da hab ich keine Ahnung von gehabt. Und dann, bei dieser Rede damals in Australien von Audrey Blake, hatte ich 12-jährige die Schlussfolgerung gezogen: Da gibt es keine unglücklichen Menschen im Sozialismus.Nun, nach vier Monaten in der DDR, merke ich plötzlich: Ich habe ja schon wieder schlechte Laune. Ach! Aber ich lebe ja im Sozialismus, wie kommt denn das? – habe ich mich gefragt. Ich fand keine Antwort. Und so ungefähr um diese Zeit kam ein Mann in unser Großbüro und hat appelliert an die Damen, in die Industrie zu gehen. Also von dieser Fabrik. Weil die den Plan erfüllen mussten. Ich hab mich gemeldet, ich hatte nichts dagegen. Ich hatte ja in Australien bereits schon an so einer Werkbank gearbeitet als ungelernte Arbeiterin. Ich war aber die einzige, die sich meldete. Na ja, also so ging ich dann in den Schichtbetrieb in die Industrie und nach einer Woche wurde mir so wat von schwindelig, dass ich krankgeschrieben wurde. Und in der Woche, wo ich krankgeschrieben war, kommt ein anderer Immigrant, der in England gewesen war und auch in die DDR kam und ein Kommunist war, auf mich zu und ich kannte ihn durch die Freunde, die auch in Australien gewesen waren, und hat mir vorgeschlagen, ich soll in seinen Betrieb kommen, denn er war Leiter von Radio Berlin International. Und mit meinen Sprachkenntnissen würde ich da doch wunderbar arbeiten können. Da habe ich natürlich dann Ja gesagt.Und so wurde ich nach etwa sechs Monaten bei RAW eine Rundfunkmitarbeiterin. Was mir großen Spaß machte, weil ich hab da auch journalistisch gearbeitet.
[Jingle]
Sprecher: Sie hören:
Sprecherin: 111 Kilometer Akten –
Sprecher: …den offiziellen Podcast des Stasi-Unterlagen-Archivs.
Dagmar Hovestädt: Ich bleibe trotzdem noch mal an dem Thema, was ja auch für den Podcast immer wichtig ist nämlich das Wirken der Stasi in ihrem Leben. Also hat die Stasi sie nicht einfach losgelassen mit OSt-Berlin und gesagt wunderbar sie hat jetzt ihre neue Heimat gefunden, sondern es sollte auch dann in der DDR weitergehen?
Salomea Genin: Also es war so, als ich noch in Westberlin war, da hatte ich insgesamt acht Führungsoffiziere gekannt im Laufe der etwa 18 Jahre und der zweite Führungsoffizier, der fand mich politisch unzuverlässig, was mich sehr beleidigt hat. Ich fand es unmöglich und hat mir vorgeschlagen, dass er mich aus den Stasi-Akten sozusagen herausholt und mich zum Archiv gibt und das bedeutete für mein Gefühl, dass ich dann ja gar kein Kontakt zur Partei mehr hätte, das hätte mir die den Boden unter den Füssen weggenommen.
Dagmar Hovestädt: Gemessen an dem was ihr am Anfang gesagt haben, wäre das ja fast wie ein verstoß aus der Familie ne?
Salomea Genin: Richtig, so habe ich mich gefühlt. Ich weiß, dass nach etwa drei Monaten in dieser Wohnung wohnend, klingelte es bei mir, weil ich hatte ja kein Telefon, damals gab es ja kaum Telefone und das stand ein Herr, hat sich vorgestellt als vom Ministerium, was ich natürlich sehr begrüßt habe und wir haben dann so zwei bis drei Stunden geredet und ja dann war ich wieder in die Familie aufgenommen und als erstes sollte ich in die evangelische Akademie gehen, die da irgendeine Veranstaltung hatten mit Israel um mich da einzuleben.
Dagmar Hovestädt: Das heißt es gab dann quasi auch Aufträge für die Beschaffung von Informationen und was man so mitbekommt?
Salomea Genin: Ja das heißt die schickten mich in Versammlungen, wo ich einfach berichtet habe, was da abgelaufen ist und natürlich mit, wenn ich das sagen konnte Namen von wer was gesagt hat. Ich war fest überzeugt es kommt keiner wegen einer Meinung in der DDR in Knast. Das sind die Verleumdungen des Klassenfeindes. So hatten wir Kommunisten diese Dinge erklärt in Australien.
Dagmar Hovestädt: Das heißt die Arbeit für das MfS als IM als Informationsbeschaffer war dann auch der richtigen Sache, die richtige Sache befördern zuträglich sein.
Salomea Genin: Es gab meinem Leben einen Sinn. Ich machte es aus absoluter Überzeugung und fühlte mich wieder in die Familie aufgenommen.
Dagmar Hovestädt: Gab es denn dann über die Jahre hinweg, es muss ja, es lief ja auf einen Punkt hinaus, wo das alles dann doch nichts mehr gegolten hat. Es ist schwer, dass jetzt sehr stark zu verkürzen, aber es vergehen Jahre in denen die Treffen mit den vielleicht auch wechselnden Führungsoffizieren passieren und irgendwann ist der Punkt erreicht, wo es doch nicht mehr funktioniert, wo die Überzeugung vielleicht gar nicht mehr da ist.
Salomea Genin: Es fing 1976 an, 63 bis 76. Mein großer Schock war 1968 als ich im Rundfunk ein Parteiverfahren bekommen habe. Warum? Weil ich hatte da zwei kleine Kinder und braucht sehr dringend Urlaub und die waren ein Baby und etwa 2 und da habe ich an den FDGB geschrieben, Gewerkschaft, habe ihm geschrieben, dass ich dringend Urlaub brauche, aber mit den Kindern zusammen, ich war ja alleinstehend und ob sie mir bitte ein Ferienheim, wo ich fürs Baby kochen kann und wo der große dann auch im Wasser planschen kann und so was, ob sie mir so eine Ferienmöglichkeit ermöglichen können und habe diesen Brief beendet mit der Bemerkung, wenn sie das nicht können, dann werde ich mich an die evangelische Kirche wenden, weil ich weiß, die haben solche Möglichkeiten in ihrem Ferienheim und warum wusste ich das überhaupt, weil die Stasi mich dahin geschickt hatte und ich war schon in solchen Heimen gewesen und bevor die Kinder kamen. Also meine Kinder wurden 65 und 67 geboren, da kam das Jahr 68 und ich hatte immer noch nicht begriffen, dass es keine Redefreiheit gibt. Ich habe immer wieder, ich war ja Mitglied der SED bis dahin und ich habe immer wieder meine Meinung zu Sachen gesagt, die absolut nicht auf der Parteilinie waren, aber ich war in keiner Weise in der Opposition im Gegenteil und das ist ein paar meiner Genossen sehr aufgefallen und eine deutsche Jüdin, die in England gewesen ist und Immigranten und zurückgekommen ist auch in die DDR, hat dann in meinem Schreibtisch gestöbert und die Kopie von diesem Brief an den FDGB gefunden und daraufhin haben sie mir ein Parteiverfahren gemacht. Das ging über Monate zwischen etwa Januar 68 bis Mai wurde ich eine Aussätzige im Rundfunk, keiner aß mehr zum Mittag mit mir, keiner trank Kaffee mehr mit mir. Also das hat mich sehr geschockt und dann kam der Tag des Parteiverfahrens. Da saßen ungefähr 300 Genossen und dann höre ich den Parteisekretär, der auch ein England Immigrant war und Juden sagen: "Dieses Parteiverfahren wurde ihnen befohlen vom ZK, von derParteikontrollkommission" und dann hat er sagt: "Warum?", also der Brief und dass ich überhaupt immer wieder Sachen von mir gebe, die zeigen, dass ich nicht wirklich politisch zuverlässig bin, weil ich habe so komische Meinungen über Dinge. Es wurde dann beschlossen mich nicht auszuschließen, sondern es gab in der DDR Kaderakten. Jeder Mensch der arbeitete, hatte eine Kaderakte. Und dann haben sie beschlossen die leichteste Bestrafung, das war in meinem Kaderakte würde man reinschreiben, was ich da schreckliches gemacht hatte und das würde nur drei Monate in der Kaderakte bleiben, dann wurde ich aufgefordert etwas zu sagen und vorher hatte eine Frau bei der ich heute der Meinung bin, dass sie auch bei der Stasi war, aber ich liebte diese Frau und ich empfand sie als eine meiner besten Freundinnen, hatte mir gesagt: "Du man wird dich auffordern etwas zu sagen und es ist völlig normal, wenn du das vorliest, da wäre es gut, du würdest das vorbereiten" und das hatte ich auch gemacht und dann stehe ich da auf diesem Verfahren und lese, dass vor und kotze innerlich, weil ich wusste, ich lüge hier. Es ist überhaupt nicht meine Meinung, was ich da vorgelesen habe. Als es zu Ende war, habe ich dooferweise diesen Zettel in Konfettigröße zerrissen. Ich könnte jetzt nicht mehr wiedergeben, aber ich weiß ich fühlte mich ungeheuer gedemütigt, weil ich mich selber völlig verleugnet habe. Das war mein wirklich erster Schock und ich brauchte ein paar Jahre bis ich begriffen habe, die Partei war wohl für mich Familienersatz
Dagmar Hovestädt: Wenn man jetzt einen großen Sprung machen würde, haben sie mit dem Ende der DDR und der Möglichkeit in den Stasiakten hineinzuschauen davon Gebrauch gemacht? War das wichtig für Sie?
Salomea Genin: Natürlich habe ich das. Ja ich habe meine Stasi-Akten gelesen, die sind immer noch hier in meiner Wohnung beziehungsweise nein, stimmt nicht. Ich habe den Antrag gestellt meine Stasi-Akten zu lesen, mir wurde ausgehändigt die Berichte, die über mich waren. Ich durfte nicht sehen, was ich über andere berichtet hatte und zwei Journalisten aus dem Westen hatten meine Akten angefordert, ungefähr 40 cm dick Papier und als sie dann ihre, ich glaube Rundfunksendungen, nee die haben auch einen Fernsehsender gemacht, also als sie die nicht mehr brauchten, habe ich sie gefragt, was machen sie dann damit? "Na wir entsorgen die." Ich sagte: "Könnten Sie die bitte in meine Richtung entsorgen?" und das haben sie gemacht, waren sie nett und so konnte ich das lesen.
Dagmar Hovestädt: Es gibt einen Grund dafür, also das Stasi-Unterlagen-Gesetz.
Salomea Genin: Ja das verstehe ich ja auch. Ich verstehe das, aber da ich ja nicht ein normaler IM war... Es war mir wichtig, dass alles zu lesen, aber dit meiste, was ich da gelesen habe, war sowas von banal und also auch was andere über mich gesagt haben. Es hat mir eigentlich, ich kann mich nicht erinnern, dass ich da irgendwelche... doch ich hatte eine Erkenntnis, was mich da geschockt hatte. In Australien, ich war zehn, habe ich eine dieser, wasich nenne die German Boys, die doch aus England nach Australien deportiert wurden. Ich habe ihn sehr bewundert. Er war witzig. Er konnte gut diskutieren. Er war zehn Jahre älter als ich. Also habe mich eigentlich ein bisschen in den verliebt im Alter von 10/ 11/ 12. Die anderen German Boys nannten ihn immer Bonzo. Was sich in den Stasi-Akten dann gelesen habe war: 1954 hatte ich ein Brief, das mich dem John Peet vorstellt. John Peet war ein britischer Journalist, der in die DDR aus England übergelaufen ist und ich habe ihn besucht und er hatte eine Sekretärin, mit der ich glaubte mich angefreundet zu haben, ich war damals 21 und da lese ich, dass sie mich für 18 hielt und für einen internationalen und sie glaubt, ich bin eine internationale Spionin. Aha nahm ich in den Neunzigern zur Kenntnis und dann lese ich, das Bonzo von der Stasi die Aufgabe bekam zu beweisen, dass ich ein internationaler Spion bin und das hat er tatsächlich versucht, weil ich kann mich erinnern, dass er ganz merkwürdige Fragen gestellt, die ich überhaupt nicht verstand.
Dagmar Hovestädt: Aus den Akten aus den Unterlagen kann man also auf der einen Seite, wie sie beschreiben, viele banale Informationen zusammentragen, aber andererseits auch sehen, dass die Verhältnisse der Menschen zueinander nicht unbedingt auf wahrhaftigen Beziehungen beruhten dann ne?
Salomea Genin: So ist es, das habe ich irgendwann einsehen müssen und das lesen der Stasi-Akten hat mir das nur bestätigt. Ich ahnte das bereits, aber erst ab 76.
Dagmar Hovestädt: Was war eigentlich 76, weil sie haben mit 76 angefangen, aber dann zurück bei 68 nochmal losgelegt mit dem Parteiverfahren?
Salomea Genin: Richtig 1976, wo ich Philosophie an der Humboldt-Universität studiert habe, nämlich ich hatte da wieder eine Diskussion erlebt in unserem erwachsenen Kreis da an der Humboldt, wo ich wieder verwirrt war. Ich verstand gar nicht wovon sie redeten. Wir waren 21 Studenten, erwachsene und nur dreie von uns waren nicht fest angestellt im Parteiapparat oder im Staatsapparat und ich hatte mich angefreundet mit einer dieser dreien, Dagmar. Da kommt die Pause und wir gehen in den Korridor und da sage ich zu ihr: "Dagi sagen kannst du mir mal erklären, worum es da ging in dieser Diskussion?" und da sagt sie: "Die sind ja so schizophren, dass sie nicht einmal merken, dass sie genau das Gegenteil in der Öffentlichkeit sagen, was sie im Privaten sagen." Und dieser Satz ist wie ein Blitz in meinem Bauch eingeschlagen, weil ich merkte plötzlich sie hatte etwas ausgesprochen, was ich nie gewagt hätte auszusprechen, aber was ich immer mehr spürte. So und jetzt stehe ich sechs Jahre später vor dem Fernseher, ich guckte ja inzwischen immer die Westnachrichten und da sagte, ich wartete auf dieNachrichten, und da sagte der Sprecher: "Bis zum 30. Januar werden wir mehrere Filme über den Nationalsozialismus bringen, denn Ende Januar ist 50 Jahre Hitzlers Machtergreifung." Und da kam in meinem Kopf eine Frage, die ich nie habe wirklich beantworten können, nämlich wie kommt es, dass so viele in der deutschen Bevölkerung unter den Nazis so schizophren waren und ich sage schizophren in Gänsefüßchen, dass sie nicht wussten, auch das in Gänsefüßchen, was mit ihren jüdischen Nachbarn passiert war und die beiden Schizophrenien tun sich zusammen und ich versinke in ein tiefes schwarzes Loch und wollte mir das Leben nehmen, weil ich begriffen habe, weil ein Satz hoch kam aus meinem Bauch. Du lebst in einem ganz banalen schon immer da gewesenen Polizeistaat und noch dazu du hast mitgeholfen ihn dazu zu machen. Ich brauchte drei Jahre um das zu verkraften, das heißt bis etwa 85 und dann bin ich ein bisschen in die Opposition gegangen. Ich suchte nach Menschen, die ich schützen konnte mit meinen Schutzschildern, weil ich begriffen hatte, dass ich drei Stück davon hatte, das eine war Altkommunistin gewesen zu sein. Das zweite war Jüdin zu sein, weil das war auch ein gewisser Schutzschild, aber ein ungewisser und das dritte war, dass ich immer noch mit der Stasi zu tun hatte und was machte ich danach? Als mein damaliger Führungsoffizier das nächste mal kam, bat ich ihn runter zu meinem Trabant und da habe ich zu ihm gesagt, wir haben uns gut verstanden übrigens ich mochte ihn und ich merkte, er mochte mich. Da habe ich zu ihm gesagt: "Ich habe dich gebeten runter zu kommen, weil ich nicht weiß, ob in meiner Wohnung eine Wanze ist. Hast du zufällig eins an deinem Körper?" fragte ich. Er sagte kein Wort und es war nur ein steiniges Gesicht und dann habe, ich weiß nicht wie lange die Zeit ist verschwunden, mindestens 10 bis 15 Minuten ihn meine Meinung gesagt zu meinen Parteigenossen also meiner Parteiführung und habe das beendet mit den Worten: "Ich will mit euch nie wieder etwas zu tun haben!" und dann habe ich in den 90er Jahren gelesen, dass er nicht allzu lange danach ein Bericht über mich schrieb, wo ich teilweise mich scheckig gelacht habe, dass ich so labil sei und dass ich wie manche, die aus dem Westen kamen, nicht habe wirklich mich einleben können in der DDR und vorschlägt ich sollte zudem Archiv gestellt werden. Zwei Berichte waren das, der 1. wo er das vorschlug und der zweite als es mir gelungen war mit meinen beiden Söhnen nach Australien zu kommen, weil da ist doch mein großer Sohn in Westberlin geblieben, da hatte auch ein Bericht geschrieben und ich sah in beiden Berichten, er hat mich beschützt.
Dagmar Hovestädt: Das haben Sie auch nach 89/90 über die Akten erfahren ne? Das konnten Sie in diesem Moment ja nicht entscheiden, was der Führungsoffizier im Apparat des Ministeriums da anfängt.
Salomea Genin: Ja natürlich nicht, ich konnte nicht wissen, was anfange er mit meiner kleinen Tirade macht und von meiner Tirade ist da kein Wort und da habe ich gewusst, er hat mich beschützt und deswegen habe ich ein Teil dieser Berichte in meiner Autobiographie reingeschrieben und hinterher geschrieben: "Danke Werner! Du warst ein guter Freund." Sonst wäre ich ein OF geworden, ein operativer Fall, wie sie das nannten.
Dagmar Hovestädt: Operativer Vorgang, wahrscheinlich.
Salomea Genin: Bitte?
Dagmar Hovestädt: OV, ein operativer Vorgang.
Salomea Genin: Dankeschön, dass wusste ich nicht, operativer Vorgang.
Dagmar Hovestädt: Damit sind wir eigentlich jetzt so gut wieder wie am Anfang, wenn ich den Fakt oder das was Sie gerade erzählt haben, wenn ich das isoliert betrachte, dass sich ein IM bei seinem Führungsoffizier dafür bedankt, dass er ein guter Freund war, wenn ich nur das einfach rausziehe aus ihrem enormen leben, würde ich sagen, ja das ist merkwürdig, wie kann man das nur, man ist ein Verräter und dann bedankt man sich auch nochmal denen die einen zum Verrat anstiften und einen dabei betreuen und wenn ich aber Ihr ganzes Leben sehe und die vielen ihre ganzen Leben Momente, die sie zu diesen Punkten gebracht haben und so heute und hier, wird es schon schwieriger das zu reduzieren und Sie sind ja jetzt seit 30 Jahren damit beschäftigt in diese Akten reinzuschauen. Haben Sie für sich eine neue oder andere Position gefunden zu dem Umgang mit IM zu dem sich einlassen auf Stasi, zu dem sich einlassen auf die Ideologie und damit vieles rechtfertigen haben wir eine gute variante gefunden, damit umzugehen?
Salomea Genin: Also ich merkte, dass ich zehn Jahre nach... Moment... an irgendeinem Punkt in meinem Leben in den 90er Jahren, habe ich mir selbst sehr ungern eingestanden, dass ich ein Spitzel war. Das dieses Wort auf mich zutreffen könnte, fand ich ganz blöd und vor allen Dingen merkte ich auch alsich anfing dieser Autobiographie richtig zu schreiben, dass ich habe hier ein Leben lang immer Einspruch von George Santayana von mir gegeben: Wer seine Vergangenheit vergisst, ist dazu verdammt sie zu wiederholen und war überzeugt, dass trifft nun auf die Nazis zu. Plötzlich merkte ich, es trifft auch auf mich, weil ich nicht meine Autobiographie angefangen hatte und habe völlig in meinem Kopf meine Stasi-Kontakte ausgeblendet und da wusste ich das geht nicht und dann braucht ich noch zehn Jahre, wo ich merkte, ich habe immer noch Schuldgefühle. Ich kann das doch nicht ungeschehen machen, geht ja gar nicht. Es gibt nur ein Weg, wie ich mit diesen mit diesem Fakt umgehen kann und mit meiner Schuld leben und das ist offen damit umzugehen und das habe ich einfach jetzt so getan.
Dagmar Hovestädt: Und haben die Menschen um Sie herum oder im generellen das verstanden, hat es einen Weg gegeben sich darüber auszutauschen?
Salomea Genin: Nicht alle und vor allen Dingen in der westjüdischen Gemeinde, na ja da habe ich schon besonders am Anfang kurz nach der Wende eigentlich schon immer das Gefühl gehabt, die sehen mich lieber gehen als kommen, weil ich das Nest beschmutze indem ich zugebe IM gewesen zu sein. Ein Jude gibt doch sowas nicht zu.
Dagmar Hovestädt: Aber wenn wir uns nicht darüber unterhalten können, werden wir nicht begreifen, wie es dazu gekommen ist und dann sind wir bei dem, was Sie gesagt haben, dann sind wir verdammt das zu wiederholen.
Salomea Genin: Ja, das ist so.
Dagmar Hovestädt: Salomea Genin ich danke ganz, ganz herzlich dafür, dass Sie sich die Zeit genommen haben. Vielen Dank.
Salomea Genin: Gern geschehen.
[Jingle]
Dagmar Hovestädt: Das war das Gespräch mit der Zeitzeugin Salomea Genin, die im August 2020 88 Jahre alt geworden ist. 2009 hat sie ein zweites Buch zu ihrem bewegten Leben geschrieben: "Ich folgte den falschen Götter". Darin reflektiert sie vor allem ihr Leben in der DDR, in der sie als überzeugte Kommunisten 18 Jahre lang als IM, als Inoffizielle Mitarbeiterin, für die Stasi gearbeitet hat und zitiert dabei auch aus den Stasi-Unterlagen.
Maximilian Schönherr: Der Podcast war jetzt knapp eine Stunde lang. Wie lang saßt ihr eigentlich zusammen?
Dagmar Hovestädt: Wir haben uns fast 2 Stunden lang zusammen gefunden. Also da gab es mal eine Unterbrechung, da klingelte das Telefon, da musste mal jemand aufstehen. Aber wir haben da doch eine längere Zeit miteinander verbracht, das braucht ja auch ein bisschen Zeit wenn man älter ist, um das alles zu erledigen.
Maximilian Schönherr: Und hat sie dir dann irgendwas für dein jüngeres Leben auf den Weg gegeben?
Dagmar Hovestädt: Also ihr war es wichtig und das passt natürlich in einem Podcast gar nicht so unbedingt rein, ihr war es wichtig zu sagen, dass es ihr ein großes Anliegen ist den Menschen mitzugeben, dass sie Kinder, gerade Kinder im Frühstadium zwischen 0 und 5 Jahren, behutsam behandeln und sie zu vollen, zufriedenen und glücklichen Menschen werden lassen. Weil sie selber so sehr erlebt hat, was passiert wenn man in der Zeit sozusagen ein Loch in die Persönlichkeit hineingepflanzt bekommt.
Maximilian Schönherr: Und nun wie immer der akustische Blick ins Archiv ziemlich beliebig herausgegriffen, aber heftig wie immer.
[schnelles Tonspulen]
Elke Steinbach: Mein Name ist Elke Steinbach. Ich kümmere mich mit meinen Kollegen um die Audio-Überlieferung des MfS. Wir hören heute einen Ton aus Gera. Es ist ein Protokollmitschnitt des Telefonverkehrs der Bezirksverwaltung und in der Vorweihnachtszeit fragt eine Ehefrau eines Mitarbeiters nach Regelung für den Geldumtausch für Mitarbeiter. Aus dem Dezember 1989 hören wir jetzt 3 Minuten.
[Mitarbeiter:] [unverständlich] Staatssicherheit
[Ehefrau:] Ja, guten Tag hier die Frau [anonymisiert], ist der Klaus da?
[Mitarbeiter:] Nee nicht.
[Ehefrau:] Im Ernst? Ich muss mal was wichtiges fragen.
[Mitarbeiter:] Das können sie an mir erfragen. Ich bin sein Vertreter. [Ehefrau lacht]
[Ehefrau:] Ich wollte wissen, was mit uns, was mit uns zutrifft.
[Mitarbeiter:] [unverständlich]
[Ehefrau:] Nee aber weil sie sich alle Geld holen, deshalb wollte ich fragen, ob ich mir och welches holen.
[Mitarbeiter:] Es holt keiner Geld.
[Ehefrau:] Na doch, du kannst jetzte, kriegst ne Karte, kriegste 15 Mark pro Person und frag mich nicht, damit kannste, jetzt kannste 60 Mark haben und entweder kannste es hier ausgeben oder wenn du rüberfährst.
[Mitarbeiter:] Wie war das jetzt?
[Ehefrau:] Du kannst jetzt 60 Mark für vier Personen, kriegst auf der Polizei so eine Karte und damit kannst auf die Staatsbank gehen und eins zu eins umtauschen, pro Person 15 Mark.
[Mitarbeiter:] Wo hastn, wo hastn das hergeholt?
[Ehefrau:] Das haben sie gerade in der Stadt erzählt.
[Mitarbeiter:] Hä?
[Ehefrau:] Das haben sie in der Stadt erzählt.
[Mitarbeiter:] In der Stadt erzählt? Das ist ja wieder keiner [unverständlich] wenns hart wird. Das sind doch Gerüchte.
[Ehefrau:] Und da haben sie, ich weeß es doch nicht, da kannste jetzt praktisch 15 Mark holen und kannste auf die Staatsbank gehen und umtauschen. Brauchste blos die Karte da vorzeigen, brauchste nicht zeigen, dass du ausreißt, was meenste an der Staatsbank stehen se doch kilometweit.
[Mitarbeiter:] Ja, da habe ich noch nix- na gut ich werde es zur Kenntnis nehmen. Soll ich das erstmal behalten oder soll ich irgendwie-
[Ehefrau:] Nee kannste mal den Klaus fragen, ob das stimmt, wenns der weeß.
[Mitarbeiter:] Ja ist gut.
[Ehefrau:] Es kann ja auch sein- Wir müssen für uns ja auch mal eine Regelung schaffen oder?
[Mitarbeiter:] Ja.
[Ehefrau:] Oder gibt's für uns keine Regelung, dass sie sagen, hier ihr könnt och rüberfahren am Wochenende?
[Mitarbeiter:] Das mit dem Geld ist gar nicht aktuell. Da habe ich noch nichts gehört heute.
[Ehefrau:] Ich weeß es och nicht.
[Mitarbeiter:] Oder willste meinen Diensthabenen haben? [lacht]
[Ehefrau:] Nee, danke. Ich hab die Schnauze voll. Und wenn du es jetzt richtig siehst: Gucke mal die ganzen großen Genossen hängen doch alle ihre Fahnen noch in den Wind. Und wir [unverständlich] wir haben doch die Schnauze, auf deutsch, voll gekriegt und konnten gar nichts dafür. Es ist doch so. Und da sehe ich das och nicht mehr ein. Ich muss ja auch an meine Kinder denken. Angeblich wird das jetzt so gehen und die jetzt rüberkommen, die kriegen sowieso 100 Mark und wenn jetzt 4 Person fahren, sind es schon 400 Mark und die 60 Mark noch, dann kannste schon ein Wochenende drüben leben, haben sie gesagt.
[Mitarbeiter:] Naja das weeß ich nicht ganz. Das weeß ich nicht ganz.
[Ehefrau:] Na ja, ich weiß es nicht. Die haben gesagt, ich kann heute und morgen auf der, zur Polizei gehen, mir so eine Karte holen und dann kriege ich eben das Geld aus der Staatsbank und wenn ich rüberfahre will ich in Intershop und mir was holen für die Kinder zu Weihnachten.
[Mitarbeiter:] mh...
[Ehefrau:] Und bei aller Liebe jetzt, ich kann jetzt auch keine Rücksicht mehr nehmen.
[Mitarbeiter:] Wenns so wäre, dann könnteste auch einkaufen im Intershop für deine Kinder.
[Ehefrau:] Na ja blos dann muss auch mal von eurer Seite ne offizielle jetzte Meldung kommen, ob die Ehefrauen oder irgend- [unverständlich] keiner rührt sich. Also ich verstehe das nicht. Bei aller Liebe, es doch scheinbar nichts da verändert worden. Wenn's für alle zutrifft DDR-Bürger, warum sollen wir wieder die Dummen machen?
[Mitarbeiter:] Ja aber warten wir mal ab.
[Ehefrau:] Na ja Helmut. Der wird mich wieder zusammenscheißen, das kannste wissen.
[Mitarbeiter:] Du ich muss auflegen.
[Ehefrau:] Machs gut. Tschüssi.
[Mitarbeiter:] Machs gut.
[Ehefrau:] Tschüss.
[schnelles Tonspulen]
[Jingle]
Sprecher: Sie hörten:
Sprecherin: "111 Kilometer Akten –Sprecher: den offiziellen Podcast des Stasi-Unterlagen-Archivs."