Acht Personen weisen den Weg beim Karneval.,
Quelle:
BArch, MfS, BV Dresden, KD Pirna, Nr. 70484, Bl. 1
Karneval unter Kontrolle
Überwachung des Karnevals 1989 durch die Stasi im Bezirk Dresden
Das allgemeine Faschingstreiben im Januar und Februar 1989 bedeutete auch in der DDR für die Karnevalisten der Gemeinden im Kreis Pirna Narrenfreiheit. Die Plakate und Losungen der "Narren" machten dann auch schnell klar, wie der real existierende Sozialismus von der Bevölkerung tatsächlich empfunden wurde. Die Karnevalsveranstaltungen zu Beginn des Jahres 1989 zogen daher die besondere Aufmerksamkeit des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) auf sich.
Im Kreis Pirna fanden 1989 zahlreiche Karnevalsumzüge und -veranstaltungen im Rahmen der so genannten "Postelwitzer Schifferfastnacht" statt. Bereits am 27. Januar wurde die KreisdienststelleKreisdienststelle Die KD waren neben den Objektdienststellen die territorial zuständigen Diensteinheiten. Sie waren... Pirna des MfSMinisterium für Staatssicherheit Das Ministerium für Staatssicherheit (umgangssprachlich oft kurz "Stasi") war politische... auf verschiedene Faschingsaktivitäten in Königstein aufmerksam. Um eventuellen "Provokationen" vorzubeugen, nahmen der stellvertretende Bürgermeister und die verantwortliche Mitarbeiterin für Kultur an der Generalprobe des Elferrates teil, um die Inhalte der Festreden in Erfahrung bringen. Dies geschah nach Rücksprache mit dem Bürgermeister von Königstein.
Am 4. Februar fand in Bad Schandau der Schifferfastnachtsumzug statt. 300 Personen nahmen am Umzug teil und zogen vor über 6.000 Besucherinnen und Besuchern unter dem Leitspruch "Elfe reisen durch die ganze Welt" durch die Stadt. Mit diesem Motto wurde versteckt, aber für jeden Menschen aus der DDR offensichtlich, die fehlende Reisefreiheit thematisiert.
Karnevalswagen mit Plakat
Quelle: BArch, MfS, BV Dresden, KD Pirna, Nr. 70484, Bl. 27
Die in großer Zahl angesetzten Inoffiziellen Mitarbeiter des MfSMinisterium für Staatssicherheit Das Ministerium für Staatssicherheit (umgangssprachlich oft kurz "Stasi") war politische... stellten dann auch zahlreiche sogenannte "politisch-negative Agitationen" fest. Sie dokumentierten zum Beispiel "zerlumpte Bürger" die auf alten Kisten und Reisekoffern saßen, aber vor allem die Losungen auf den Transparenten und Umzugswagen des Karnevalsumzugs:
„Wir sind die "Letzten"“
„Rund um die Welt auch ohne hartes Geld
“
„Geboren am 11.11.? Gewachsen sind wir schon bärisch – bald reisen wir um die Welt wie Onkel Erich!
“
Acht Personen weisen den Weg beim Karneval.
Quelle: BArch, MfS, BV Dresden, KD Pirna, Nr. 70484, Bl. 1
Spruchband beim Umzug
Quelle: BArch, MfS, BV Dresden, KD Pirna, Nr. 70484, Bl. 29
Der SED-Funktionär und Leiter der AbteilungAbteilung Eine selbständige Abteilung ist eine Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den... Kultur beim Rat der Stadt, Michael Hesche, war ebenfalls Mitglied des Elferrates des Bad Schandauer Karnevalklubs. Er war an den Vorbereitungen des Karnevalumzugs beteiligt und für dessen Genehmigung mitverantwortlich. Nachdem die Staatssicherheit von den provokanten Losungen und Transparenten des Bad Schandauer Karnevalumzugs erfuhr, verlangte sie von Hesche eine Stellungnahme. In einem Schreiben drei Wochen später räumte Hesche zwar Fehler ein, verwies jedoch auf die Verantwortung übergeordneter Genossen und kritisierte die Stasi sogar. Er bemerkte, dass "derartige Zwischenfälle mit mehr Feinfühligkeit und nicht erst nach einer Woche durch die Schutz- und Sicherheitsorgane untersucht werden sollten.“
Stellungnahme zum Karnevalsumzug am 4. Februar 1989 in Bad Schandau
Stellungnahme eines SED-Funktionärs vom 23. Februar 1989 zum Ablauf des Karnevalumzugs in Bad Schandau
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Für das MfS waren solche Losungen wie die vom Bad Schandauer Schifferfastnachtsumzug derart "systemkritisch, gefährlich und staatsfeindlich", dass auch die nachfolgenden Faschingsveranstaltungen in Krippen und Postelwitz in die "Sicherung" einbezogen wurden. Damit war die genaue Beobachtung durch Inoffizielle Mitarbeiter gemeint.
Der Faschingsumzug im Ortsteil Postelwitz am 11. Februar, an dem rund 200 Karnevalisten teilnahmen, wurde aufgrund der Ereignisse von Bad Schandau von der Kreisdienststelle Pirna abgesichert. Bereits vor Beginn der Veranstaltung wurde auf Veranlassung der Stasi ein Plakat ausgesondert, dass lediglich fragte: "Wo kann ein DDR-Arbeiter noch Urlaub machen?".
Von der Stasi ausgesondertes Faschingsplakat
Quelle: BStU, MfS, BV Dresden, KD Pirna, Nr. 70484, Bl. 44
Am 15. und 16. Februar erstellte die KreisdienststelleKreisdienststelle Die KD waren neben den Objektdienststellen die territorial zuständigen Diensteinheiten. Sie waren... Pirna Maßnahmepläne zur Kontrolle der Faschingsumzüge in Schmilka und Krippen um "politischen Provokationen" zuvor zu kommen. Die Pläne für die beiden Umzüge wurden dann konsequent umgesetzt. Am 21. Februar übersandte die Kreisdienststelle Pirna Hans Modrow, dem Ersten Sekretär der SED-Bezirksleitung Dresden, einen Bericht über den Verlauf dieser beiden Veranstaltungen. Auch vom Umzug in Bad Schandau wurden Berichte an den Staatssicherheitsdienst abgegeben.