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Sprecherin: "111 Kilometer Akten - [Ausschnitt einer Rede von Erich Mielke: ..ist für die Interessen der Arbeiterklasse!] - der offizielle Podcast des Stasi-Unterlagen-Archivs".
Dagmar Hovestädt: Hallo zu einer neuen Folge. Ich bin Dagmar Hovestädt, die Sprecherin des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen und begrüße Sie wie immer zusammen mit Maximilian Schönherr, Rundfunkjournalist vor allem für den Deutschlandfunk und Erfinder des Archiv-Radios des SWR. Die heutige Folge geht ans Herz unserer Arbeit die persönliche Akteneinsicht dafür hast du Maximilian mit einer von meinen 350 Kolleginnen und Kollegen gesprochen, die sich um die Akteneinsicht kümmern. Heute geht es sehr spezifisch nur um die Akteneinsicht für die eigene ganz persönliche Einsicht in die Stasi-Akten.
Maximilian Schönherr: Und manche von Ihnen Podcast Hörerinnen und Hörer kennen die Materie Stasi und Ministerium für Staatssicherheit sehr genau und Ihnen fallen dann, nennen wir es mal, Unschärfen auf, die in jedem live geführten Gespräch nun mal auftauchen, deswegen ist es mir auch immer wichtig, dass du Dagmar die Aufnahmen, die ich mache, vorher abhörst, bevor wir die online geben und quasi Rückmeldungen über diese Unschärfen gibst und ich nenne mal gerade eine Liste von Unschärfen, die dir auffiehlen. Der Unterschied zwischen AU und dann gibt es noch eine AR.
Dagmar Hovestädt: Stimmt, das sind zwei von insgesamt fünf Abteilungen, die wir haben. AU steht für Auskunft, das ist die Abteilung mit der man als Antragsteller in Berührung kommt. Die nehmen Anträge entgegen, prüfen ob das auch richtig ist und lösen dann die Recherche aus und das wird dann umgesetzt in der anderen Abteilung. Die heißt AR, also für Archivbestände. Dort sitzen die Archivare in den Magazinen, Karteisälen und nehmen die Informationen der Antragsteller und suchen im Archiv nach Unterlagen, die dann wieder zurück gehen an die Abteilung AU und die bereiten das dann für die Akteneinsicht vor und darüber redet ihr dann wieder ausführlicher.
Maximilian Schönherr: Dann geht es in unserem Gespräch viel um Schwärzungen. Was ist dir da aufgefallen?
Dagmar Hovestädt: Ja, schwärzen hört sich ja doch so an als wollten wir etwas vorenthalten als würden Informationen sozusagen anonymisiert und weggesperrt.
Maximilian Schönherr: Verheimlichen.
Dagmar Hovestädt: Verheimlichen, genau, das wollen wir ja gerade nicht, denn das Schwärzen ist vor allen Dingen ein sehr aktiver Datenschutz. Wir lassen ja etliche ist offen, weil es genau darum geht die Transparenz der staatlichen Handlungen zu gewährleisten, also die Namen der Hauptamtlichen, der inoffiziellen Mitarbeiter und der Funktionsträger in der DDR. Die werden gerade nicht geschwärzt, aber wohl aber die Namen der Betroffenen. Die haben nämlich das Recht selbst zu bestimmen, was mit ihren Daten geschieht und alle Namen Dritter, die ja auch nie gefragt haben und zugestimmt haben, dass sie dort dokumentiert werden, deren Daten wollen wir auch schützen.
Maximilian Schönherr: Dann kommen wir jetzt zu den Gebühren, die sind auch verschieden zwischen diesen beiden Gruppen an Antragstellern.
Dagmar Hovestädt: Das ist richtig. Wir haben wie viele Archive einen Gebührenkatalog, aber wir machen tatsächlich einen Unterschied, ob man diese Gebühren bezahlen muss. Wer nämlich Betroffener in der DDR war von Stasi-Handlungen, ein Opfer der SED-Diktatur, dann ist so eine Person befreit von den Gebühren. Wer Mitarbeiter war als Inoffizieller Hauptamtlicher muss bezahlen für eine Akteneinsicht zu seinen persönlichen Informationen. Forscher und Medien müssen auch zahlen, ist alles in so einem Gebührenkatalog geregelt, aber eben wie gesagt, das Archiv versteht sich schon auch als jemanden, der den Betroffenen der SED-Diktatur helfen soll ihr Schicksal aufzuklären und dafür hat der Gesetzgeber die Gebühren für diese Personen erlassen.
Maximilian Schönherr: Die Wartezeit so zwei Jahre ist immer so die Ansage brauche ich zwischen
Antragsstellung und bis ich dann Akteneinsicht bekomme, das erzählt Frau Freitag in unserem Gespräch sehr detailliert aus ihrer Perspektive. Ist es immer zwei Jahre?
Dagmar Hovestädt: Also zwei Jahre ist, sag ich mal so, ein Maximalwert und der ist auch eine Ausnahme als die Regel. Wir haben ja auch sehr unterschiedliche Informationen, die man finden kann, wenn man ein Antrag stellt. Bei ungefähr einem Drittel, die ein Antrag stellen, müssen wir relativ schnell feststellen, dass sie im Archiv nicht verzeichnet sind. Bei zwei Dritteln der Antragsteller ist man vor allen Dingen bei Karteikarten fündig geworden, das kann man auch innerhalb von maximal sechs Monaten beantworten und herausgeben und immer dann wenn sehr viel gefunden wird, wird die Recherche sehr viel aufwendiger und wird auch die Vorbereitung zur Einsicht aufwendiger, darüber redet ihr sehr ausführlich, und dann kann das schon mal bis zu zwei Jahren dauern, aber vor allen Dingen auch, weil noch 25.000 Anträge zur Zeit vor einem abgearbeitet werden müssen, bis man selber dran ist und das erklärt dann doch eine etwas längere Wartezeit, wenn man wirklich auch größere Anzahl von Unterlagen einsehen möchte und kann.
Maximilian Schönherr: Die IMs haben die sich eigentlich diese Namen selber gegeben "Heinrich" zum Beispiel?
Dagmar Hovestädt: Also IM Heinrich den sollte es bestimmt dutzendfach in den Akten geben, das ist so eine Mischfrage.
Maximilian Schhönherr: Aber es gab ja einige zigtausend IMs oder?
Dagmar Hovestädt: Na zuletzt waren es um die 180.000 IM und über die Gesamtzeit der DDR, wenn man es so hochrechnet, gibt es eine Größenordnung von weit über einer halben Million über 40 Jahre gesehen. Es gibt ja diesen klassischen Vorgang, wo der Führungsoffizier den IM gewinnt und eine Verpflichtungserklärung unterschrieben wird und in der ist in der Regel der Deckname zu finden und die Unterschrift besiegelt dann auch, dass man weiß dass mit diesem Decknamen die inoffizielle Mitarbeit sozusagen beginnt.
Maximilian Schhönherr: So jetzt haben wir fast alle Unschärfen geklärt. Alle wird man nämlich nicht klären können so ein Gespräch und nun fangen wir an.
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Susann Freitag: Mein Name ist Susann Freitag. Ich arbeite im Referat AU2, das ist eines von zwei Referaten für die Anträge von Bürgern auf Akteneinsicht in die Stasi-Unterlagen.
Maximilian Schhönherr: Was ist ihre Ausbildung gewesen um in diesen Job zu kommen?
Susann Freitag: Ich habe zuvor in einem anderen kleinen Archiv gearbeitet und während dieser Tätigkeit ein berufsbegleitendes Studium der Archivwissenschaften absolviert und mit diesem Abschluss bin ich hier auf der Suche oder ich habe hier eine Stelle im gehobenen Dienst gefunden und arbeite jetzt als Archivarin.
Maximilian Schhönherr: Archivarin ist ein toller Beruf, finde ich, ich bin gerne in Archiven. Was haben Sie heute Morgen gemacht? Also wir nehmen diesen Podcast jetzt um die Mittagszeit auf. Bei der Stasi-Unterlagen-Behörde im Archiv sind viele Angestellte und kommen sehr früh. Sind sie eine davon?
Susann Freitag: Nein ich bin keiner von denen. Manchmal bedauer ich das ein bisschen, aber ich bin meist eine von denen, die so um 9 Uhr im Büro sind und dann so ganz gemächlich in den Tag starten.
Maximilian Schhönherr: Und wie fing das an heute?
Susann Freitag: Heute fing es so an, dass ich einen Antrag von einem Bürger auf dem Tisch hatte, der die Einsicht in seine Unterlagen begehrt. Bei dem Antrag handelt es sich um eine Mitarbeiterunterlage und diese Unterlagen habe ich ihm vorbereitet und werde die Kopien, die ich für ihn angefertigt habe zur Verfügung stellen, die kriegt der Antragsteller nach Hause.
Maximilian Schhönherr: Was ist eine Mitarbeiterunterlage?
Susann Freitag: Wir unterscheiden bei der Antragsbearbeitung nach Mitarbeiterunterlagen, das sieht das Gesetz vor, dass ein Bürger zur DDR-Zeit Mitarbeiter beim Staatssicherheitsdienst war. Wir unterscheiden Inoffizielle Mitarbeiter und Hauptamtliche Mitarbeiter in dem Fall hatte sich der Bürger zu DDR-Zeiten bereit erklärt inoffiziell mit der Stasi zusammenzuarbeiten und meine Aufgabe ist es jetzt ihm die Unterlagen zugänglich zu machen.
Maximilian Schönherr: Das würde ich von seiner Seite aus mutig einschätzen und das ist wahrscheinlich. Über die Überraschungen über die können wir nachher auch noch reden, ist wahrscheinlich in seinem Fall auch gegeben, dass er Dinge ließt dann, wenn sie ihm die Akten heraussuchen, mit denen er nie gerechnet hätte.
Susann Freitag: Das kommt vor, dass Leute oder Bürger überrascht sind von den Unterlagen, die aufgefunden wurden. In dem Fall glaube ich das jedoch nicht, weil er sich willentlich und wissentlich für eine Mitarbeit entschieden hat und eine sogenannte Verpflichtungserklärung unterschrieben hat.
Maximilian Schhönherr: Okay, müssen Sie, wenn Sie die Unterlagen jetzt raussuchen für ihn, die Schwärzungen vornehmen?
Susann Freitag: Ja, das ist bei Mitarbeitern so, dass die nur einen Teil der angelegten Unterlagen bekommen. Es ist so, dass die Unterlagen, die er eventuell über andere geführt hat, wenn er Berichte über andere Menschen angelegt hat, die werden ihm nicht zugänglich gemacht, das ist diese sogenannte Arbeitsakte, die über ihn geführt wurde. Diese Unterlagen bleiben unter Verschluss, die bekommt er nicht, aber all das was der Staatssicherheitsdienst über ihn geführt hat, die so genannte Personalakte, wie es zu dem Mitarbeiterverhältnis kam, all das bekommt er.
Maximilian Schhönherr: Sie haben heute Morgen den Antrag gelesen, das heißt sie gingen dann erstmal Akten suchen, wahrscheinlich über Ihren PC, weil die meisten Sachen digitalisiert sein dürften oder?
Susann Freitag: Ganz so ist es nicht. Der Antrag ist schon vor zwei Jahren in der Behörde eingegangen nach Antragseingang wird dieser Antrag zunächst rechtlich geprüft und nach der rechtlichen Prüfung werden Recherchen ausgelöst. Das machen meine Kollegen und Kolleginnen, das mache ich nicht selbst. Und wenn dann herausgefunden wurde, dass Unterlagen da sind werden die in den Magazinen, in den Archiven, in den Außenstellen bestellt und mir zur Verfügung gestellt. Also ich bekomme tatsächlich für einen Antrag das vorbereitete Material schon vorgelegt und meine Aufgabe ist es dann dieses Material zu sichten.
Maximilian Schhönherr: Zu sichten, dann bestimmte Dokumente vorzuenthalten, andere mit gewissen Unkenntlichmachungen, also Schwärzungen, versehen. Um wie viele Blätter handelt es sich? Wissen sie das, können sie es schon abschätzen? Wir geben hier keine Details preis, aber an dem Beispiel können wir mal sagen was so der typische Arbeitsablauf ist.
Susann Freitag: Also bei dem Antrag ist es jetzt verhältnismäßig wenig, wenn ich das mit meiner begrenzten Erfahrung sagen kann. Ich bin jetzt etwa vier Jahren in der Behörde und ich würde mir erlauben zu sagen mit 200 Blatt Material ist es relativ wenig Material, das zu dieser Person aufgefunden worden ist. Er bekommt jetzt einen Teil, 70 Seiten, werden es werden, die er jetzt erhält.
Maximilian Schhönherr: Das heißt, sie haben das alles schon gelesen?
Susann Freitag: Ja, also ich habe tatsächlich das nicht alles heute gemacht, das muss ich gerechtigkeitshalber sagen. Ich hab das am Freitag schon gesichtet und soweit vorsortiert und schon mal das so weit auseinander dividiert, was er bekommt und was nicht und heute noch zusammen gestellt und ihm eine Auskunft dazu geschrieben.
Maximilian Schhönherr: Das heißt er kann schon absehen wann er die Akten einsehen kann?
Susann Freitag: Einsehen ja, bei dem Antrag ist es so, dass der Antragsteller bei Antragsstellung gewünscht hat, dass ihm Kopien bzw. Duplikate nach Hause geschickt werden. Wenn er gesagt hätte, dass er zur Akteneinsicht kommen möchte, könnte er jetzt demnächst mit einer Einladung zur Akteneinsicht rechnen.
Maximilian Schhönherr: Und um das gleich mit zu besprechen: Sind Sie dann auch die Person, die ihm die Akten übergibt? Und ihm sagt im Lesesaal gibt es die und die Vorschriften?
Susann Freitag: Ganz genau, die bin ich dann. Also er bekommt von mir eine Einladung jetzt in der Corona-Situation weisen wir besonders auf die Vorschriften im Lesesaal hin. Der Lesesaal ist nach wie vor geöffnet. Die Antragsteller können kommen, wenn sie das gerne möchten. Und dann ist es tatsächlich so, dass der Antragsteller zum Termin kommt, dass ich seine zuständige Sachbearbeiterin bin und mit ihm ein Vorgespräch führe indem ich ihm erkläre, was an Unterlagen vorgefunden wurde, aufgefunden worden ist, dann hat er die Möglichkeit noch Fragen zu stellen, dann wird dem Antragsteller genügend Zeit gegeben alles zu sichten, sich selbst Notizen zu machen und im Anschluss daran gibt es ein Nachgespräch, wenn dann noch Fragen sind. Meist ist es so, dass die Vorgespräche relativ kurz ausfallen, weil viele Antragsteller herkommen und erstmal ein bisschen abwarten wollen, was tatsächlich zu lesen ist.
Maximilian Schhönherr: Die sind scharf drauf das jetzt zu lesen ne?
Susann Freitag: Genau also und dann ist es manchmal so, aber habe ich jetzt auch unterschiedlich schon erlebt, dass die Leute dann im Nachhinein ein Redebedürfnis haben, dass sie vielleicht sich erklären wollen, vielleicht als Mitarbeiter sich erklären wollen, wie es dazu kam, vielleicht auch ihre Sicht nochmal darlegen wollen oder aber dass sie Fragen haben warum gerade das in den Akten Niederschlag gefunden hat.
Maximilian Schhönherr: Woher sollen Sie das wissen?
Susann Freitag: Das ist eine gute Frage, das versuche ich dann auch zu erklären, das liegt nicht in meiner Macht, was ich zur Verfügung stelle. Ich nehme das, was gefunden wurde. Aber dass man so noch mal ins Gespräch kommt, das finde ich eigentlich auch, dass es so der interessante Teil der Arbeit, dass man mit Betroffenen oder auch mit Mitarbeitern ins Gespräch kommt, dass man nochmal deren Intentionen erfahren kann und was damals aus ihrer Sicht passiert ist, das ist tatsächlich manchmal ganz einseitig nur die Stasi-Sicht zu sehen und die hab ich ja nur in dem Moment, wo ich nur diese Unterlagen habe, das ist nicht meine Aufgabe das zu bewerten, das möchte ich gar nicht, das kann ich gar nicht und auch vielleicht meinem Alter geschuldet, dass ich gar nicht nachvollziehen kann, was mitunter damals passiert ist, wie man Leute gewonnen hat und darum finde ich es umso spannender dann zu hören, wie sich Leute erinnern oder wie deren Sicht auf die Dinge ist.
Maximilian Schhönherr: Das heißt die Mitarbeiter, die die Anträge gestellt haben und die die Sie dann betreuen, sind eigentlich die interessanteren Fälle dann, speziell für diese Nachgespräche.
Susann Freitag: Ja, das kann man so sagen, das ist in der Tat so, ja.
Maximilian Schhönherr: Und die anderen haben vielleicht weniger Fragen?
Susann Freitag: Die haben weniger Fragen oder es wirft neue Fragen auf. Ich hab auch Antragsteller erlebt, die tatsächlich sich fragen, so eine kleine Lappalie aus deren Leben, die dann groß aufgezogen wurde, wohingegen andere, wo sie dachten dass das vielleicht Niederschlag gefunden hätte, eher am Rande behandelt wird.
Maximilian Schhönherr: Müssen Sie den Antragsstellern, die sie dann betreuen, das Archiv erklären?
Susann Freitag: Das kommt eher nicht vor.
Maximilian Schhönherr: Weil die Akten kommen ja aus verschiedensten Stellen, also paar Akten aus Leipzig zum Beispiel, Cottbus, dann einige sind hier in dem Gebäude, andere in dem Archiv, vielleicht kommen noch Töne auch dazu, die sie gefunden haben. Also, das ist ja alles sehr verstreut, das wundert die Leute gar nicht? Die denken, das ist eine Stelle?
Susann Freitag: Nee, das wundert sie nicht. Also ich weiß nicht, in dem Moment, wo die Leute den Antrag stellen, werden sie an einer Stelle aufgefordert Angaben zu deren Wohnorten zu machen und das erklärt sich dadurch, dass in diesen Wohnorten- Es gab ja diese Bezirksverwaltungen und in diesen Städten, wo die Bezirksverwaltung gesessen haben, sind ja heute noch unsere Außenstellen und je nachdem welche Wohnorte dann angegeben wurden, finden die Recherchen in unseren Außenstellen statt. Also können sich die Leute doch herleiten, dass dann auch aus diesen Außenstellen Unterlagen hier hergekommen sind. Also es wird tatsächlich hier an einer Stelle gebündelt und zusammengetragen und dann gemeinsam herausgegeben.
Maximilian Schhönherr: Nehmen wir jetzt mal ein Beispiel, also die die Mehrheit der Menschen, die Sie betreuen, sind keine Mitarbeiter gewesen, denke ich mal.
Susann Freitag: Ja.
Maximilian Schhönherr: Und wenn Sie jetzt sich diese Fälle überlegen, das ist völlig unterschiedlicher Arbeitsaufwand, das heißt, es gibt ganz kleine Akten, die eine lange Suche hinter sich haben und dann wenig dabei rauskommt und umgekehrt oder?
Susann Freitag: Ja, das ist in der Tat so. Also es gibt auch viele Anträge, die gar kein Material hervorbringen, das überrascht die Leute, aber das ist gar nicht so unüblich, dass auch gar nichts passiert sein könnte oder es zu keiner Erfassung gekommen ist und bei manchen umso mehr. Also das ist tatsächlich so, dass kann man überhaupt nicht miteinander vergleichen. Es gibt ganz kleine und ganz große.
Maximilian Schhönherr: Wenn Sie jetzt diese Akten zur Verfügung stellen im Lesesaal zum Beispiel oder Fotokopien anfertigen lassen, die dann, ich glaube gegen eine geringe typische Verarbeitungsgebühr oder wie das heißt, dann hingeschickt werden an den Antragssteller oder Antragsstellerin. Die Schwärzungen die Sie vornehmen, das heißt Unkenntlichmachung von Namen vor allem, darum geht es ja vor allem. Gibt es dafür eine Regelung? Also da gibt es natürliche Regelungen, aber gibt es da einen Spielraum? Das heißt, macht das eine Kollegin von Ihnen anders als Sie?
Susann Freitag: Das das kann schon tatsächlich vorkommen, das sollte eigentlich nicht der Fall sein. Geschwärzt wird ja immer das, was dritte Person betrifft. Wir machen die Unterlagen zugänglich, die tatsächlich zu dem Antragsteller vorliegen und sobald eine dritte Person in den Unterlagen erfasst worden ist, werden diese Angaben zur dritten Person geschwärzt und anonymisiert.
Maximilian Schhönherr: Gehen Sie manchmal selber die Akten besuchen oder bekommen Sie die immer auf dem Schreibtisch oder auf ihrem PC geliefert?
Susann Freitag: Ich bekomme die immer auf den Schreibtisch geliefert. Ich bin tatsächlich selten dort. Hier in Berlin ist ja das Magazin oder die Magazine in Berlin Lichtenberg am anderen Standort. Ich habe einen Besucherführungen teilgenommen und mir das mal angesehen, aber sonst gehört es nicht zu meinem Aufgabengebiet selber die Akten zu ziehen, dafür gibt es den Magazinbereich.
Maximilian Schhönherr: Gibt es Fälle, wo ein Antrag noch länger braucht als zwei Jahre?
Susann Freitag: Das sollte nicht der Fall sein, nein.
Maximilian Schhönherr: Warum braucht er zwei Jahre?
Susann Freitag: Der braucht tatsächlich zwei Jahre, weil umfangreiche Recherchen erforderlich sind, wie wir schon gesagt haben Eingangs. Die Recherchen werden durchgeführt aufgrund der Angaben, die ein Antragsteller im Antrag macht, aufgrund seiner Wohnorte und dann kann es durchaus sein, dass man an verschiedenen Stellen in verschiedenen Karteien verschieden intensiv recherchieren muss und man muss auch bedenken, es ist ja für jeden Antrag, der bearbeitet wird, ein immenser Aufwand
erforderlich, allein die Schwärzungen. Wir gucken ja Seite für Seite, Blatt für Blatt wird geschwärzt. Also zunächst gelesen dann geschwärzt. Das ist ein großer Aufwand der betrieben wird, um die Unterlagen überhaupt zugänglich zu machen.
Maximilian Schhönherr: Wie schwärzen Sie denn?
Susann Freitag: Eigentlich überwiegend immer noch mit dem schwarzen Stift und Lineal, aber wir gehen dazu über, das jetzt auch digital zu schwärzen mit einem Programm.
Maximilian Schhönherr: Dazu muss man jetzt deutlich sagen, sie schwärzen natürlich dann nicht die Originale, sondern es sind Fotokopien.
Susann Freitag: Genau, ja das muss man vielleicht noch erklären. Wir gehen nicht an die Originalunterlagen. Es werden zunächst Kopien gezogen und die Kopien werden geschwärzt.
Maximilian Schhönherr: Und bereiten Sie die Schwärzungen vor oder schwärzen Sie dann, weil Sie eine Routine entwickelt haben sehr direkt und denken sich dann manchmal "Oh das war jetzt vielleicht zu schnell", weil einen schwarzen Strich kann man schlecht rückgängig machen.
Susann Freitag: Ja, das passiert, aber dazu sind es ja die Kopien, die man schwärzt. Ich habe mir das jetzt ein bisschen angeeignet, dass ich das Material dann auch noch mal einen Tag liegen lasse, das sich das ein bisschen setzt, das man vielleicht am nächsten Tag nochmal ein bisschen unverstellter drauf guckt und das nochmal so selber für sich durchgeht und dann erst am nächsten Tag das herauszugeben. Tatsächlich ist es so, dass man manchmal ein bisschen forsch ist oder manchmal auch ein bisschen großzügiger, dass sollte natürlich nicht sein, dass man das schon mit gleichen Kriterien verfolgt.
Maximilian Schhönherr: Lesen Sie dann auch Dinge, wo Sie, nachdem Sie jetzt eine jahrelange Routine haben, sich denken, also das gibt so nicht, da stimmt irgendetwas nicht, da müsste man eigentlich noch weiter recherchieren, das wäre aber jetzt nicht ihr Job, aber wo irgendwas Sie so verwundert, dass Sie länger darüber nachdenken müssen oder ist es meistens routiniert, ja da hat der IM eben das und das geschrieben, das kennen wir schon tausendfach, weil wir das tausendfach gelesen haben.
Susann Freitag: Es kommt tatsächlich vor, das in dem Material auf anderes Material verwiesen wird, das innerhalb der Ablage des Staatssicherheitsdienstes auf vorhandenes Material verwiesen wird. Das kann man nicht auf einen Blick erkennen, das sieht man tatsächlich dann erst, wenn man die Unterlagen liest und das so im Zusammenhang erwähnt wird. Da wäre es dann an mir tatsächlich nochmal diese Unterlagen anzufordern oder zumindest zu recherchieren, ob es wirklich dazu noch Unterlagen gibt, das ist tatsächlich manchmal der Fall, dass es dann noch etwas gibt, was man nicht auf einen Blick erkannt hat.
Maximilian Schhönherr: Fällt Ihnen ein Beispiel dazu ein dazu?
Susann Freitag: Ich hatte tatsächlich unlängst einen Fall, da wurde zu dem Antragsteller eine operative Personenkontrolle durchgeführt, das ist eine bestimmte Aktenart oder ein bestimmter wie die Staatssicherheit Personen bearbeitet hat. Sie hat es tatsächlich so genannt in einer operativen Personenkontrolle und in der Unterlage, die ich auf dem Tisch hatte zur Schwärzung oder zur Bearbeitung, war auf diese operative Personenkontrolle hingewiesen worden auch mit Signatur, aber die gab es nicht mehr. Also da hatten wir dann tatsächlich nochmal Recherchen dazu durchgeführt und dann festgestellt, dass da die Unterlagen schon vernichtet waren.
Maximilian Schhönherr: Das weiß man dann, dass die vernichtet waren, weil man genau wüsste, wo sie hätten liegen müssen?
Susann Freitag: Ganz genau, ganz genau.
Maximilian Schhönherr: Kann natürlich auch geschreddert sein in einen der vielen Säcke.
Susann Freitag: Das könnte natürlich auch sein, dass davon kann man vielleicht auch noch ausgehen, dass wenn man die Säcke oder den Inhalt der Säcke zusammensetzen würde vielleicht doch noch was zu Tage befördert wird, aber in dem Fall war das ziemlich eindeutig.
Maximilian Schhönherr: Das heißt, Sie lernen die Menschen, die Antragsteller, eigentlich ziemlich gut kennen jedenfalls einen bestimmten Aspekt. Das geht ja auch im Intimbereich hinein. Also wenn jemand seine Frau betrügt oder wenn jemand angeworben wird, ohne dass es der Rest der Familie weiß und so weiter. Das heißt, dass nimmt in großem Teil Ihres Jobs ein?
Susann Freitag: Ja, das kann man schon so sagen und das ist tatsächlich auch mitunter ein seltsames Gefühl. Also ich weiß nicht, ob den Antragstellern tatsächlich bei Antragstellungen bewusst ist, dass wir die Unterlagen zuvor lesen. Also wir lesen sie ja noch vor dem Antragsteller selbst und wir haben so einen kleinen Wissensvorsprung, was tatsächlich nicht immer ganz angenehm ist, das ist wirklich so, die können ja gar nicht erahnen, was tatsächlich aufgefunden wird und was dann auch wirklich Niederschlag in den Akten gefunden hat und das sind intimste Sachen und wenn dann Leute zur Akteneinsicht kommen oder die Antragsteller kommen, dann wird ihnen das, glaube ich, so richtig bewusst, dass ich in dem Moment schon alles gelesen habe und auch alles schon weiß, das ist natürlich auch für die Antragsteller mitunter dann ein mulmiges Gefühl, dass da jemand Drittes, der vielleicht noch so jung ist und jetzt das intimste von einem selbst weiß. Also tatsächlich muss man auch ganz vorsichtig sein, wie man dann mit den Antragstellern spricht, das ist tatsächlich mitunter auch schwierig, ja.
Maximilian Schönherr: Das heißt Sie gehen manchmal dann nach Hause und denken noch drüber nach, was Sie da gerade gelesen haben?
Susann Freitag: Ja, das schon. Das passiert. Das ist mir anfangs nicht ganz so leicht gefallen, weil ich auch aus meinem eigenen Erleben, die DDR ja so gar nicht erlebt habe. Als die Mauer fiel, war ich acht Jahre alt. Also ich bin sehr behütet aufgewachsen, meine Familie hatte keine Einschränkungen oder keine Momente mit der Staatssicherheit gemacht; sodass ich für mich selber kaum vorstellen konnte, was die Staatssicherheit im Kleinen getrieben hat mit den Menschen. Klar, man lernt das in der Schule und es ist mir auch bewusst, was der Staatssicherheitsdienst gemacht hat, aber so im kleinteiligen, wie man Leute wirklich drangsaliert hat, das war mir nicht bewusst. Also ich hab ganz viel auch erst hier gelesen und gelernt und, glaube ich, auch begriffen.
Maximilian Schönherr: Wo sind Sie aufgewachsen?
Susann Freitag: In der Nähe von Leipzig. Ich bin '81 geboren.
Maximilian Schönherr: Die Frage nach den O-Tönen. Weil ich liebe natürlich O-Töne in Archiven, das ist sozusagen daher, weil ich aus dem Rundfunk kommen, und kenne die Rundfunkarchive auch ganz gut. Deswegen habe ich eigentlich ja auch das BStU gut kennengelernt, weil ich oft im Audiobereich tätig war, also in Lichtenberg draußen.
Ich hab gehört, von manchen Antragstellern, die sagten: "Mir wurde angeboten, auch einen O-Ton zu hören. Es gibt Akten, die darauf verweisen, dass es einen O-Ton gibt, dass mich jemand zum Beispiel beim Wanzen Verlegen aufgenommen hat." – Die es aber in der Regel nicht hören wollen.
Susann Freitag: Mhmh.
Maximilian Schönherr: Wie ist Ihre Erfahrung damit?
Susann Freitag: Mh, ich hatte das bisher noch nicht so oft, muss ich gestehen.
Maximilian Schönherr: Aber Sie hatten es schon mal?
Susann Freitag: Ja, ich kann mich an einen Antragstellern erinnern, da gab es einen Mitschnitt von einem Gerichtsprozess, den man gegen ihn geführt hatte. Und ich hatte mir den Mitschnitt angehört, der war ungefähr zwei Stunden lang, zu dem Antragsteller, der dann auch verurteilt wurde. Und wir hören das vorher natürlich auch alles an, um auch da Schwärzungen oder Anonymisierungen vorzunehmen.
Maximilian Schönherr: Also kleine Pieptöne reinsetzen zu lassen.
Susann Freitag: Genau. In dem Fall war es allerdings so, dass der Antragsteller in der Zwischenzeit verstorben war, das heißt wir hätten es ihm gerne zugänglich gemacht. Wir hätten ihn auch gefragt, ob er das so haben möchte. Es ist ja sein gutes Recht, auch diese Tonmaterialien. Aber es kam ja dann leider nicht mehr dazu.
Maximilian Schönherr: Aber wenn Sie die Akte noch finden, könnten wir vielleicht einen O-Ton aus diesem Prozess, den Sie gerade erwähnt haben, einspielen. In diesem Podcast.
Susann Freitag: Das können wir gerne machen. Ich hab tatsächlich noch die CD. Es war schon alles gebrannt für ihn. Es war tatsächlich schon alles vorbereitet und ich hab es ihm auch noch nach Hause geschickt, weil das ein Antragsteller aus – ich glaub, aus Ihrer Nähe, würde ich jetzt behaupten – auf jeden Fall aus Nordrhein-Westfalen war.
Maximilian Schönherr: Mhmh.
Susann Freitag: Das kam aber leider zurück. Oder, ich glaub seine Frau hatte dann angerufen und gesagt, dass er leider gar nicht mehr am Leben sei. Und hatte dann die Unterlagen so zurückgegeben, wie sie waren.
[Jingle]
Sprecher: Sie hören:
Sprecherin: 111 Kilometer Akten –
Sprecher: …den offiziellen Podcast des Stasi-Unterlagen-Archivs
Dagmar Hovestädt: Also, wir haben ja nochmal nachgeschaut und tatsächlich hatte Susann Freitag den vorbereiteten O-Ton noch in der quasi unerledigten Antragstellung gefunden. Das ist ein fast zweistündiger Mitschnitt eines Prozesses. Eher ungewöhnlicher bei einer persönlichen Akteneinsicht, dass ein Bundesbürger in der DDR vor Gericht steht. Der Fall ist nicht ganz unbekannt.
Maximilian Schönherr: Ein Prozess gegen diesen Antragsteller?
Dagmar Hovestädt: Ein Prozess gegen die Person, die den Antrag gestellt hat, aus dem Jahre 1979. Und das wäre dann sicherlich trotzdem auch für ihn spannend gewesen, sich selber nochmal in dieser hochdramatischen Situation zu erleben. Wo er unter diesem großen Druck – er hatte da mehrere Wochen in Stasi-Haft schon verbracht – dann vor Gericht aussagen muss.
Maximilian Schönherr: Hören wir mal rein.
[Archivton]
[Richter:] Angeklagter, nach den uns vorliegenden Informationen haben Sie am Donnerstag voriger Woche Anklageschrift und Eröffnungsbeschluss erstmalig zur Kenntnis erhalten. Ist das zutreffend?
[Angeklagter:] Ja.
[Richter:] Ja? Somit können wir feststellen, dass die gesetzliche Ladungsfrist gewahrt wurde. Schildern Sie uns zunächst Ihren – Ihre persönliche Entwicklung. Aus welchem Elternhaus stammen Sie, Schuldbildung, berufliche Entwicklung – das wesentliche daraus, ja?
[Angeklagter:] Ja. Mein Leben beginnt also am 17.11.43 in einem kleinen Dorf im Bergischen Land, wo meine Eltern evakuiert war'n, in Marialinden. Ich bin das jüngste von drei Kindern. Mein Vater selbstständiger Pressefotograf, meine Mutter Hausfrau. Sie half ihm im Labor. Wir lebten unter ärmlichen Verhältnissen in der Evakuierung, das wurde besser 1950, als meine Eltern mit uns Kindern wieder nach Köln zurückzog'n. Docht [dort] hatte der Vater mehr Möglichkeiten als Pressefotograf für Tageszeitungen und Kirchenzeitungen zu arbeiten. [dumpfes Schlagen einer Tür]
Ja. Die Kindheit verlief ohne – na, Besonderheiten, ohne – äh – große Sprünge, wie man so schön sagt. Wir wurden, na, zu ehrlichen Menschen erzogen, katholisch- - im katholischen Sinne.
[Jingle]
Maximilian Schönherr: Gibt es Akten, die so umfangreich sind, dass Sie sich quasi eine Woche Zeit nehmen müssen, um da durch zu kommen?
Susann Freitag: Ja. Und eine Woche ist eigentlich relativ wenig Zeit für umfangreiche Unterlagen. [lacht] Also ja, auf jeden Fall braucht es manchmal mehr als eine Woche Zeit, ja.
Maximilian Schönherr: Auch einen Monat?
Susann Freitag: ja. Auch das hatte ich schon mal, mhmh. [schmunzelt]
Maximilian Schönherr: Das heißt Sie haben Fälle, die beschäftigen Sie tatsächlich dann einen Monat lang?
Susann Freitag: Ja.
Maximilian Schönherr: Sie lesen jeden Tag hunderte von Zetteln?
Susann Freitag: Mhmh.
Maximilian Schönherr: Von Archivakten?
Susann Freitag: Mhmh.
Maximilian Schönherr: Und dann baut sich innerhalb von vier Wochen so ein Bild von einer Person oder einer Struktur, in die diese Person sich befunden hat, auf.
Susann Freitag: Mhmh.
Maximilian Schönherr: Und dann kommt irgendwann die Person. Sie können sie dann direkt angucken und in den Lesesaal begleiten. Das ist schon psychologisch sehr interessant!
Susann Freitag: Das ist es wirklich, ja. In der Tat.
Maximilian Schönherr: Ist das Projekt dann auch abgeschlossen? Also, sind Sie dann froh, jetzt den Monat hinter sich zu lassen, mal einen neuen Top aufzumachen?
Susann Freitag: Das ist in der Tat auch der Fall. [lacht] Weil man tatsächlich dann weiß: Man hat das jetzt so zu einem guten Abschluss gebracht. Also insofern gut, als das man weiß man hat da jemandem wieder seine Unterlagen zugänglich gemacht. Das geschieht ja sozusagen auf Antrag, auf Wunsch. Die möchten das gerne. Und insofern sehe ich das auch als Hilfestellung. Also man ist derjenige, der dann dafür sorgt, dass die Unterlagen zugänglich gemacht werden. Und ja, das ist dann auch schön, wenn sowas zu Ende geht und beendet wird, ne.
Maximilian Schönherr: Gibt es manchmal Folgeanträge? Wo die selbe Person nochmal kommt?
Susann Freitag: Das ist in der Tat der Fall. Vielleicht könnten wir an der Stelle noch erzählen, wenn Decknamen in dem Material vorhanden sind, können die Antragsteller die Bekanntgabe der Klarnamen beantragen. Das passiert erst im Nachhinein.
Maximilian Schönherr: Das müssen Sie erklären!
Susann Freitag: Ein Deckname ist ein Name, den sich ein Mitarbeiter der Staatssicherheit gegeben hat. Ein inoffizieller Mitarbeiter war gehalten, sich einen Decknamen zur Konspiration zu geben.
Maximilian Schönherr: Und wir reden jetzt von einem Antragsteller, der Mitarbeiter war oder von wem sprechen wir gerade?
Susann Freitag: Wir sprechen gerade von Anträgen, die als Betroffene gestellt werden.
Maximilian Schönherr: Okay?
Susann Freitag: Nur die Betroffenen haben das Recht, die Klarnamen zu erfahren.
Maximilian Schönherr: Okay, jetzt nochmal zurück. Ein Betroffener hat den Eindruck, die Stasi hat gegen ihn, über ihn ermittelt. Diese Person oder ein Personenkreis stellt einen Antrag und da steht jetzt IM "Heinrich" schreibt jetzt das und das über mich, den Antragsteller. Und jetzt ist es Thema bei Ihnen. Ich möchte wissen, wer hinter dem "Heinrich" stand, ne. Vielleicht Peter Schmidt, ne.
Jetzt habe ich Sie unterbrochen. Erzählen Sie ruhig weiter. Ich musste es nur gerade kapieren.
Susann Freitag: Ja. Also, in dem Moment wo wir bemerken, dass da Decknamen sich in den Unterlagen befinden, wird das dem Antragsteller mitgeteilt. Und dann kann er die Bekanntgabe der Klarnamen beantragen. Das macht er mit einem extra Schreiben an uns. Und dann würden diesbezüglich nochmal Recherchen durchgeführt werden nach diesem IM und wer dann dahinter gesteckt haben könnte. Meistens ist es sogar so, dass die Leute das viel besser wissen als wir hier in der Behörde, weil die Personen ja in dieser Situation gesteckt haben. Sie wissen ja, mit wem sie sich umgeben haben. Wer da vielleicht bei einem Gespräch oder bei einem Treffen dabei war. Und manchmal können sich die Antragssteller sich das selber ganz gut denken.
Maximilian Schönherr: Dass es der Onkel war, aber sie lesen eben nur "Heinrich".
Susann Freitag: Genau.
Maximilian Schönherr: Und so hieß der Onkel eben nicht.
Susann Freitag: Ja und wenn sie dann die Bekanntgabe beantragen, dann geht das hier zu einer anderen Arbeitseinheit, die dann die Recherchen für die Klarnamen durchführen. Und dann würden wir das dem Antragsteller auch nochmal mitteilen.
Maximilian Schönherr: Ist das der typische Folgeantrag? So?
Susann Freitag: Na, Folgeantrag sagen wir dazu eigentlich gar nicht. Das sind die Decknamenanträge. Ich nehme an, mit Folgeanträgen meinen Sie, ob jemand nochmal einen Wiederholungsantrag stellen könnte?
Maximilian Schönherr: Ja oder er hat jetzt die Akte gelesen und denkt sich: Stimmt, da hatte ich ja noch eine Cousine, die wird hier kurz erwähnt, und die ist verstorben und jetzt stelle ich noch einen Antrag über die Cousine.
Susann Freitag: Das ist auch dabei. Das sind die Anträge zu nahen Angehörigen, die gestellt werden können. Dafür gelten aber besondere Voraussetzungen. Nach dem Stasi-Unterlagen-Gesetz hat zwar jeder das Recht in die Unterlagen einzusehen, aber da sind einige rechtliche Voraussetzungen dafür zu erbringen.
Maximilian Schönherr: Mein Vater hat jetzt einen Antrag auf Akteneinsicht gestellt, also er ist ein Betroffener. Vermutlich. Er ist sicher kein Mitarbeiter gewesen.
Susann Freitag: Mhmh.
Maximilian Schönherr: Aus Westdeutschland eben. Und wir fanden – ich hab den Antrag zusammen mit ihm zusammen gestellt. Ohne vorher jemals quasi sowas gemacht zu haben. Ich fand den Antrag kompliziert zu stellen. Und mein Vater bekam dann, nach vielleicht zwei, drei Wochen Bescheid, dass hier wichtige Akten fehlen. Also nicht Akten ihrerseits, sondern Unterlagen fehlen. Nämlich musste er erst mal zeigen, dass er wirklich der Sohn von dem Vater ist, über den die Recherche gehen soll.
Susann Freitag: Ja.
Maximilian Schönherr: Das heißt er musste sich das Stammbuch kopieren und so weiter. Und der ganze Ausfüllvorgang geht jetzt online, aber nur wenn man den maschinenlesbaren Personalausweis hat, sonst muss man es doch ausdrucken und ausfüllen. Finden Sie das Antragsverfahren kompliziert oder kriegen Sie das gar nicht mit?
Susann Freitag: Mh. Ich krieg das gar nicht so mit. Ich kriege zwar Anträge zur rechtlichen Prüfung vorgelegt, die ich dann zu prüfen habe, aber den Unmut der Bürger kriege ich so nicht mit. Also es gibt die Bürgerberatung, die wahrgenommen werden kann. Aber ich muss zugeben, die findet hier in Berlin in der Zentralstelle statt und auch in den Außenstellen, aber für Menschen aus Westdeutschland ist es eben schwierig. Aber die können uns auch telefonisch erreichen und auch da ihre Fragen zur Antragstellung loswerden.
Maximilian Schönherr: Es ist halt wirklich ein sehr besonderes Archiv.
Susann Freitag: Mhmh.
Maximilian Schönherr: Es ist Archiv eines Geheimdienstes, der die ganze Bevölkerung ausspioniert hat und deswegen muss verhindert werden, dass eine Person X einfach dieses Archiv nutzt, um heute noch nachzuspionieren. Zum Beispiel. Um jemanden neu anzuschwärzen. Das sind eben hochsensible Akten und deswegen kann ich mir vorstellen, dass der Antrag auch so kompliziert sein muss und das die Verwandtschaftsgrade bewiesen werden müssen, weil eben nicht jeder sagen kann: Das war mein Vater, über den möchte ich jetzt was wissen! Also, ich kann das schon verstehen. Aber das ist die Außensicht, die Sie nicht mitkriegen.
Sie haben auch nie einen Antrag gestellt für sich – oder?
Susann Freitag: Nee. Das würde wahrscheinlich wenig Aussicht auf Erfolg haben. Weil ich tatsächlich dafür zu jung bin.
Maximilian Schönherr: Und Ihre Eltern?
Susann Freitag: Ich weiß von meinen Eltern, dass sie gleich Anfang der 90er Jahre einen Antrag gestellt haben. Da war nichts aufzufinden, man hat den beiden mitgeteilt, dass da keine Unterlagen vorhanden sind. Sie hätten jetzt die Möglichkeit, noch einen Wiederholungsantrag zu stellen. Dieses Recht hat jeder Antragsteller, der auch schon mal einen Antrag gestellt hat, der kann um einen sogenannten Wiederholungsvorgang bitten. Und dann würden die Recherchen nochmal aufgerollt werden und dann könnte man jetzt im Nachhinein nochmal gucken, ob Unterlagen aufgefunden werden. Das ist tatsächlich nicht unüblich. Weil ja die Erschließungsarbeiten seit dem Anbeginn der Behörde jetzt immer weiter vorangeschritten sind, ist es jetzt gut möglich, dass Unterlagen aufgefunden werden.
Maximilian Schönherr: Könnten Sie als Mitarbeiterin [betont: in] der Behörde eben mal nachgucken?
Susann Freitag: Das geht nicht. Das wird immer wieder in Filmen so dargestellt. Das ist leider nicht der Fall. Leider sage ich so, weil das recht oft so gefragt wird, auch in meinem Bekanntenkreis, wenn man so darüber ins Gespräch kommt. Natürlich ist man neugierig und natürlich hat man so eigene Erlebnisse und Geschichten auch aus der Kindheit oder vielleicht von den Nachbarn, wo man vielleicht denkt: Ich würde schon gern wissen, ob der Mitarbeiter war. Aber das funktioniert nicht.
Die Kartei-Abteilung ist ein abgegrenzter Bereich und nur diese Mitarbeiter haben dann Zugang zu den Unterlagen, die angelegt worden sind.
Maximilian Schönherr: Das heißt wenn Sie jetzt in der Karteiabteilung arbeiten würden, dann könnten Sie mal gucken?
Susann Freitag: dann könnte ich wohl. [beide lachen]
Maximilian Schönherr: Es ist ein bisschen so wie – quasi in Anführungszeichen – "Ich kenn einen Polizisten, den frage ich immer: kannst du mal gucken? Dieser Falschparker, der mich so nervt mit dem SUV, Autokennzeichen ist das und das. Kannst du mal für mich nachgucken?"
Susann Freitag: Mhmh.
Maximilian Schönherr: Natürlich kann er das. Aber er sollte es nicht.
Susann Freitag: Ja – nee, das ist nicht der Fall bei uns.
Maximilian Schönherr: Spricht man bei Ihnen von einem Team oder sind Sie weitgehend EinzeltäterInnen? Denn Sie müssen ja Akten lesen, das heißt Sie haben einen Schreibtisch und machen die Tür zu, brauchen Ruhe. Oder gibt es Teambesprechungen? Wie groß ist das Team? Wie viele Frauen und Männer sind da drinnen?
Susann Freitag: ich hatte ja eingangs gesagt, dass ich zu einem Referat gehöre, von dem es zwei gibt. Zwei Referate für die Einsicht für die Bürger und diese beiden Referate sind jeweils unterteilt in Sachgebiete. Und in meinem Referat gibt es drei Sachgebiete. Die Sachgebiete sind die nächstkleinere Einheit und zu meinem Sachgebiet gehören 13 Mitarbeiter. Da ist es so, dass die Frauen die Oberhand haben mit zwölf Frauen, die wir sind, und einem Mann.
Maximilian Schönherr: Was heißt Sachgebiet?
Susann Freitag: Sachgebiet ist eine Bezeichnung für die nächstkleinere Arbeitseinheit.
Maximilian Schönherr: Das habe ich schon verstanden. Und was ist Ihr Sachgebiet? Also Sie haben drei Sachgebiete haben Sie gesagt?
Susann Freitag: genau. Die sind dann durchnummeriert und ich bin im Sachgebiet eins.
Maximilian Schönherr: Das sagt ja jetzt dem Außenstehenden wenig. Sind das jetzt bestimmte Themen oder…?
Susann Freitag: Nee, das ist nicht nach Themen, das ist nur so eine Arbeitseinheit und wir teilen uns die Anträge auf.
Maximilian Schönherr: Also das geht jetzt nach eins, das andere geht nach zwei. Quasi.
Susann Freitag: genau. Also das ist nicht thematisch. Jeder kriegt den gleichen Anteil an Anträgen und dann ist es Aufgabe der Chefin, das dann den Leuten zuzuteilen.
Maximilian Schönherr: Jetzt wollte ich noch etwas über den Lesesaal wissen. Nennen Sie den so?
Susann Freitag: Ja, der heißt tatsächlich Lesesaal. [lacht]
Maximilian Schönherr: Ja! Da sitzt vorne eine Person, das könnten Sie sein- -
Susann Freitag: Ja.
Maximilian Schönherr: …und achtet drauf, dass niemand die Akten zerreißt, zum Beispiel, ne?
Susann Freitag: Mhmh, mhmh.
Maximilian Schönherr: Haben Sie in dem Lesesaal, als Sie da Aufsicht hatten und da vorne saßen, seltsame Dinge erlebt?
Susann Freitag: Ich nicht, aber ich habe von anderen Kollegen tatsächlich gehört, die aus der Anfangszeit berichtet haben, dass tatsächlich mal ein Mitarbeiter seine Unterlagen einsehen wollte und das auch getan hat. [lacht leicht] Und dann seine Verpflichtungserklärung aufgegessen hat. [lacht wieder] Also ich kann nicht sagen, ob das wirklich zutreffend ist. Aber mit dieser Verpflichtungserklärung ist ja der Beweis erbracht, dass jemand für den Staatssicherheitsdienst gearbeitet hat. Und dieses Dokument, was meist handschriftlich in den Unterlagen vorliegt – das hat er ausgeheftet und gegessen, damit der Beweis verschwunden ist. [lacht leicht]
Maximilian Schönherr: Hatte er das Original angucken dürfen? Eigentlich schon, ne? Ich guck auch meistens Originale an.
Susann Freitag: Ja, tatsächlich war es das Original. Aber diese Begebenheit hat uns jetzt dazu gebracht, dass wir die Verpflichtungserklärung zumindest nicht mehr im Original vorlegen. Die wird jetzt kopiert. [lacht]
Maximilian Schönherr: Also im Lesesaal darf ja eigentlich nicht gegessen werden!
Susann Freitag: Genau, so ist es. Es darf nicht gegessen und getrunken werden. Es dürfen nur handschriftliche Notizen gemacht werden.
Maximilian Schönherr: Und es werden die Akten abgezählt, die man reinträgt und die man wieder rausträgt. Raustragen tut man sie glaube ich nicht, man lässt sie dann liegen, aber- -
Susann Freitag: Man lässt sie liegen, genau.
Maximilian Schönherr: Aber es wird dann nochmal geprüft, ob dann wirklich auch alle da sind.
Susann Freitag: Ja.
Maximilian Schönherr: Wo guckt sich jemand ein Video an? Oder kommt das nie vor?
Susann Freitag: Das kommt auch vor, aber das passiert auch im Lesesaal. Es gibt extra dafür Arbeitsplätze, an denen das möglich ist und das kann auch im Lesesaal erfolgen.
Maximilian Schönherr: Haben Sie auf Ihrem Zettel noch irgendwelche Dinge, die Sie unbedingt loswerden wollen?
Susann Freitag: Ich hatte mir nochmal die Antragszahlen rausgesucht, aber ich weiß nicht, ob man die nochmal nennen will.
Maximilian Schönherr: Mhmh.
Susann Freitag: Also wir hatten letztes Jahr tatsächlich noch – das sind jetzt Zahlen für die Außenstellen und die Zentralstelle – 56.000 Anträge auf Bürgereinsicht. Nur, um sich nochmal diese Dimensionen vielleicht klar zu machen, wie viele Anträge immer noch an die Behörde herangetragen werden. Und in dem Jahr davor waren es 45.000. Also man merkt da auch, dass letztes Jahr das Jahr 2019 war. Wenn die Jahrestage sich jähren, also gerade letztes Jahr, 30 Jahre nach Mauerfall – da sind die Zahlen nochmal ein bisschen hoch gegangen.
Maximilian Schönherr: Und würden Sie einem Betroffenen empfehlen, dieses Archiv zu nutzen, also einen Antrag zu stellen?
Susann Freitag: Das ist schwierig zu beantworten, weil wahrscheinlich jeder seine eigenen Erfahrungen gemacht hat. Und ich würde tatsächlich immer ein bisschen darauf achten, wie jemand mit der Situation umgehen kann. Natürlich ist das alles mehr als 30 Jahre her, aber dennoch macht das mit den Leuten auch noch was, wenn sie die Unterlagen über sich selber lesen. Und wenn man da jemanden hat, der vielleicht ein bisschen mit der Vergangenheit hadert, dem würde ich das vielleicht nicht so empfehlen wie für jemanden, der sagt: Nee, das ist ein Teil meines Lebens und das möchte ich gern für mich nochmal glatt ziehen! Der so gefestigt ist und so in seinem Leben jetzt ist, da denke ich, der kann das durchaus vertragen.
Es ist sicherlich auch nicht für jeden leicht, das auch zu lesen und sich nochmal klar zu machen, was da im kleinsten, privaten, intimsten Umfeld ausspioniert wurde.
[Jingle]
Dagmar Hovestädt: Das war meine Kollegin Susann Freitag. Sie arbeitet im Referat AU 2, in der persönlichen Akteneinsicht. Und nun, wie immer zum Schluss, eine akustische Begegnung mit dem Archiv. Ein zufälliger Ton aus der Sammlung eines von über 22.500 Audiodokumenten.
[schnelles Tonspulen]
Elke Steinbach: Mein Name ist Elke Steinbach und ich kümmere mich mit meinen Kolleginnen und Kollegen um die Audioüberlieferung des MfS. Im Tonbestand finden sich viele Beispiele für die Arbeitsweise des MfS. Das heutige ist ein Zusammenschnitt einer Einführung in die Aufnahmetechnik bei Verhören, gefolgt von einem Verhör. Abgesehen davon, dass während der Einweisung die Bandgeschwindigkeit bei laufendem Tonband verändert wird, was jedem Tontechniker noch im Nachhinein Schmerz bereitet, kommt während des Verhörs das erwähnte Lineal zum Einsatz. Aber was ist unser Schmerz im Vergleich zu dem des Vernommenen? Wegen des Vorwurfs "staatsfeindliche Losungen" angebracht zu haben, wird er 1979 in Halle angeschrien und beschimpft. Auf diesem Band werden wir acht Stunden lang Zeugen davon.
[Archivton]
[MfS-Mitarbeiter 1:] Könn'n S'e ooch [auch] nochmal umstellen. Und uff zwo [auf zwei] drei fahr'n.
[MfS Mitarbeiter 2:] Nu, wir woll'n ja d'e Handautomatik machen. Wir nehm'n keene [keine] Automatik mehr.
[MfS Mitarbeiter1:] [anfangs parallel] Ach nu gut, dann tun wa [wir] handaussteuern uff d'e fünf.
[MfS Mitarbeiter 2:] [parallel] [vermutlich: Weil wir dann]- - Genau, so is' es!
[MfS Mitarbeiter 1:] Bittschön!
[MfS Mitarbeiter 2:] Weil nämlisch [nämlich] Automatik sonst während der Vernehmung ausfallen kann.
[MfS Mitarbeiter 1:] Ja.
[MfS Mitarbeiter 2:] Verstehste? Ha'm wa [haben wir] alles schon gehabt!
[MfS Mitarbeiter 1:] Wenn- - wenn ihr seid, wenn ihr seid unvorsichtig und haut mit Lineal auf Tisch. [vermutlich: Is'er ooch durch]
[MfS Mitarbeiter 1:][imitierend cholerisch] So eine Sauerei! [lacht]
[MfS Mitarbeiter 2:] Nur zum Beispiel, oder haust- -
[MfS Mitarbeiter 1:] [parallel] Da is' weg. Da is' weg.
[MfS Mitarbeiter 2:] …oder haust die Gardine mal rüber.
[MfS Mitarbeiter 1:] Ja! Das, das- - äh – genau so.
[MfS Mitarbeiter 2:] Daran denkste aber nich' immer dran und da is' es verschwunden- -
[MfS Mitarbeiter 1:] [parallel] Ja. Nee, das is' richtig.
[MfS Mitarbeiter 2:] …und deswegen nehm' wa nur mit de' Hand.
[MfS Mitarbeiter 1:] [brummt zustimmend]
[MfS Mitarbeiter 2:] Und quietschen tut trotzdem nischt [nichts]!
[MfS Mitarbeiter 1:] Nee! Das is' hier das leisch- - leichte Laufgeräusch. Aber das is' ooch so eene Sache. [Klicken] Wir fahr'n ja jetz' ooch mit 'ner [vermutlich: neun-fünf] [MfS Mitarbeiter 2 brummt zustimmend], wir geh'n mal runter uff d'e [unverständlich]- - [Tonsprung]
Mh, und dass s'e das me'nen [meinen]?
[MfS Mitarbeiter 2:] Na das is' ja keen Umkehrstift.
[MfS Mitarbeiter 1:] Nee.
[MfS Mitarbeiter 2:] Nee, die queitschen manchma' hier echt und da kannste echt blöd- -
[MfS Mitarbeiter 1:] Mh.
[MfS Mitarbeiter 2: ]…und verrückt werden. Da [unverständlich]- -
[MfS Mitarbeiter 1:] Is' ja richtig!
[Schnitt]
[Vernehmer:] [teilweise schwer verständlich] Und eens merken S'sich gut: Die nächste Zeit verbringen Sie hier! [tippt nach jedem Wort vermutlich mit dem Finger auf eine Tischplatte] Und wie Sie in'n Wald hineinrufen, so schallt es zurück. Ihr albernes Getue! Ihr Jeschwindle [Geschwindel]! Wenn man was verzapft, dann wird man wenigstens ooch [unverständliche Antwort] den Arsch in de' Hose ham und dann ooch ma sagen: Ja, ich hab [vermutlich: Fotos] gemacht, aus den und den Gründen!
[vermutlich: All zu weit] wer'n [werden] S'e mit Ihr'n Frechheiten [unverständlich] Ihr freches Schwindeln! Das is' doch gar nich' zu viel! [wiederholtes Tischpochen] Ja!?! Und dann noch provozieren! Mit hämischem Grinsen und wat weeß [was weiß] ich nich' alles! [anhaltendes rhythmisches Schlagen mit dem Lineal auf den Tisch] Das ist Provokation! Ich habe Ihnen das doch jetz' jesagt [gesagt]. Beziehen S'e das in Ihre Überlegung' mit ein [unverständlicher Abschnitt]. Das sind unsre Räume und Sie mögen provozier'n, wo Sie wollen. Ob mit Schmierereien oder was andrem. Aber hier is' Schluss mit Provokation!!! [weiterhin anhaltendes Tischklopfen mit dem Lineal] Ja!?! Andere aus der Reserve locken! Hier is' Schluss! [Klopfen stoppt] Wenn ich was anbringe, dann habe ich auch dazu grade zu steh'n! Wenn ich male. [zweimaliges Linealklopfen] Anstatt in meinem Hof zu mal'n, denn über d'e Mauer no' [noch] mal'n muss. Ja!? Dafür haben S'e grade zu steh'n und deshalb sind Sie hier! [dreimaliges Linealklopfen] Und nich' anders!
Wir machen keene Versprechungen und nischt. Aber wir ha'm Ideen, [vermutlich: 'n paar jedenfalls]. [rhythmisches Klopfen mit dem Lineal] Aber eens begreifen Sie [unverständliche Erwiderung] bevor es zu spät is! Ja?! Wir ha'm viele Möglichkeiten, [vermutlich: hier mit der] Sache ausgehen zu lassen. Die kann man beeinflussen auf Wegen des Rechts.
[schnelles Tonspulen]
[Jingle]
Sprecher: Sie hörten:
Sprecherin: "111 Kilometer Akten
Sprecher: den offiziellen Podcast des Stasi-Unterlagen-Archivs."