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Tatortfoto der Stasi von dem Ort, an dem der Schüler versuchte, die Grenze zu überwinden, und wo ihn die tödlichen Schüsse trafen

Tödliche Grenze

Der Fluchtversuch zweier Schüler aus Halle-Neustadt endete im Dezember 1979 tödlich. Soldaten der Grenztruppen erschossen einen 15-Jährigen an der innerdeutschen Grenze bei Sorge im Harz. Sein Begleiter überlebte.

Als die beiden Jugendlichen Olli Rübner und Tom Meier (Namen geändert) am 8. Dezember 1979 in den Zug stiegen, wollten sie weg von zu Hause, alle Probleme hinter sich lassen. Olli Rübner hatte seinen Freund überredet, im Grenzbereich bei Sorge im Harz die Grenze zu überwinden. Von Beneckenstein aus erreichten sie zu Fuß am Nachmittag einen Grenzsignalzaun und überwanden diesen.

Dabei lösten sie einen Alarm bei der für diesen Abschnitt zuständigen Grenzkompanie aus. Gegen 16 Uhr stellten Grenzsoldaten die beiden Schüler an der zweiten Grenzsicherungsanlage. Sie schossen – wie Olli Rübner berichtete – ohne Vorwarnung. Einer von insgesamt 51 abgegebenen Schüssen traf Tom Meier tödlich. Olli Rübner wurde festgenommen und zu einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt.

Die Stasi vertuschte den Fluchtversuch

Die Stasi übernahm die Ermittlungen in diesem Fall. Aktenauszüge aus dem Stasi-Unterlagen-Archiv zeigen, wie die Geheimpolizei versuchte, die Erschießung des Jugendlichen an der Grenze zu vertuschen. Stasi-Mitarbeiter fälschten den Totenschein, verbreiteten Legenden über die Todesumstände und überwachten Familienangehörige, Freunde und Bekannte der Jugendlichen. Auch diejenigen Grenzsoldaten, die von dem Zwischenfall wussten, wurden zu strengstem Stillschweigen angehalten.

Aus Sicht des SED-Regimes und der Stasi galt es vor allem, eine Rufschädigung von der DDR abzuwenden, die ein Bekanntwerden des Falles nach sich gezogen hätte. Zudem durfte auch nach DDR-Recht nicht auf Jugendliche geschossen werden. Deshalb war die Stasi bestrebt, die Todesumstände Tom Meiers zu vertuschen. Selbst die Mutter des Jugendlichen wurde im Unklaren gelassen. Sie erhielt lediglich die Mitteilung, dass ihr Sohn in militärischem Sperrgebiet tödlich verunglückt war.

Olli Rübner verbüßte seine Strafe unter anderem in der Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) Roter Ochse in Halle (Saale) und später im Jugendhaus Dessau. Auch hier und nach seiner Haftzeit behielt die Stasi ihn im Auge. Spitzel achteten darauf, dass er sich an die ihm auferlegte Legende hielt, wegen Diebstahls eines Autos inhaftiert worden zu sein, und unterbanden Gesprächsversuche anderer Häftlinge zu diesem Thema.

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Publikation

Quellen für die Schule 2: Flucht aus der DDR

"Versuchter Grenzdurchbruch zweier Schüler"

Der Aktenauszug enthält Kopien aus den Stasi-Unterlagen zu einem Fluchtversuch zweier 15-jähriger Schüler über die innerdeutsche Grenze im Dezember 1979.