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Die Schwarz-Weiß-Fotografie zeigt die Vorderseite sowie den Eingangsbereich des Hotels Bellevue in Dresden. Das Haus hat vier Stockwerke, wurde mit hellem Sandstein erbaut und ab dem ersten Stockwerk von dunkel umrandeten Fenstern vertikal durchzogen. Das obere Stockwerk geht über in ein dunkles Kupferdach. Vor dem Gebäude befindet sich ein Parkplatz, auf dem mehrere Autos parken und auf dessen Auffahrt zwei Personen entlanggehen. Im Bild links vor dem Parkplatz findet sich ein Gehweg mit einer Menschenmenge, beidseitig getrennt von einem Grünstreifen mit niedrigen Gewächs und links angrenzend eine Straße.

Überwachungsmaßnahmen des MfS im Hotel "Bellevue" in Dresden

Mit Blick auf Dresdens historische Altstadt und am nördlichen Elbufer gelegen, eröffnete das Interhotel "Bellevue" beinahe zeitgleich mit der wiedererbauten Semperoper im Februar 1985 seine Tore, um vor allem internationalen Gästen einen Aufenthalt in der Kategorie "de Luxe" zu bieten.

Laut Nutzungsstruktur sollte das "Bellevue" zielgerichtet Übernachtungskapazitäten für Geschäftsreisende, Einzel- und Gruppentouristen bereitstellen, sowie für "Diplomaten und Mitarbeiter ausländischer Vertretungen aus dem NSW-Bereich, sofern diese in Valuta zahlen". Prominente Gäste waren unter anderem Erich Honecker, die Mannschaft des VfB Stuttgart und Joe Cocker.

Während sich für den drei Jahre andauernden Bau die japanische Kajima Corporation Tokyo verantwortlich zeigte, waren neben verschiedenen Volkseigenen Baukombinaten und einer schwedischen Baufirma auch die Abteilung N, Abteilung 26 und Abteilung VI der Bezirksverwaltung Dresden des MfS mit einbezogen, welche die Auffassung vertraten, dass "die imperialistischen Hauptländer … den Reise- und Touristenverkehr in immer stärkerem Maße zur Planung, Organisierung und Durchführung von subversiven Aktivitäten gegen die DDR und die sozialistische Staatengemeinschaft" nutzen.

Einsatz IM/GMS - Hotel "Bellevue"  auf Bereiche aufgeschlüsselt:  Direktionsbereich; 6 IM Gastronomie; 8 IM Empfang; 7 IM Freizeitbereich; 3 IM Autoservice; 2 IM Beherbergung; 1 IM Verkaufsbüro; 2 IM Küche; 1 IM Technik; 4 IM Intershop; 1 IM Kader/Bildung; 1 IM Einkauf; 2 IM

"Ausgehend von der Tatsache, dass Hotels einen Konzentrationspunkt im Reise- und Touristenverkehr darstellen, kommt dem […] Bauvorhaben des Hotelneubaus ‚Bellevue‘ in Dresden in politischer, politisch-operativer und ökonomischer Hinsicht eine besondere Bedeutung zu." So oblag es der Abteilung VI nicht nur, für die Bauzeit eingesetzte ausländische Arbeitskräfte zu überwachen und Inoffizielle Mitarbeiter (IM) unter dem künftigen Hotelpersonal anzuwerben. In Zusammenarbeit mit der Abteilung 26 war sie außerdem dafür verantwortlich, "dass technische Voraussetzungen für den späteren Einbau operativ-technischer Sicherungsmittel bei der Projektierung unter Wahrung der Konspiration" geschaffen werden. Bereits bei Baubeginn nutzte das MfS seinen Einfluss, um eine Basis für die flächendeckende Überwachung bestimmter Hotelgäste zu legen.

Um eine Erarbeitung von Informationen und operativ bedeutsamer Ausgangsmaterialien zu den befürchteten "subversiven Aktivitäten" zu gewährleisten, nutzte das MfS vor allem inoffizielle Kräfte. So geht aus den Akten beispielsweise hervor, dass das "Bellevue" nicht nur als terrorgefährdetes Objekt eingestuft wurde, sondern auch mindestens 38 IM in verschiedenen Bereichen des Hotels planmäßig vorhanden waren. Diese überwachten nicht nur die Gäste, sondern auch einander, ohne üblicherweise davon Kenntnis zu haben.

Den IM-Einsatz unterstützend, erhielten Mitarbeiter der Abteilung 26 eine ständige Präsenz in einem offiziell als "Notvermittlungsraum" bezeichneten Kellerraum, zu dem nur sie exklusiven Zutritt hatten und in dem die Überwachung des Telefonverkehrs ungestört stattfinden konnte. Zur Ausstattung dieses Raumes gehörte u.a. eine Fangschaltung, welche die Anschlüsse der eingehenden Anrufer identifizieren konnte, sowie automatisierte Tonbandgeräte, mittels derer ein- und ausgehende Gespräche in den Gäste- und Dienstzimmern sowie in den Sprechkabinen des Hotels aufgezeichnet wurden. Im Frühjahr 1984 sorgte die Installation der Fangeinrichtung für Unmut bei einem Mitarbeiter des VEB Projektas Berlin, da dieser hier "ein Problem" sah, "das im Zusammenhang mit der Verfassung der DDR zu sehen ist." Der Leiter der Abteilung N notierte daraufhin, dass er "die Hauptabteilung XVIII über die Arbeits- und Verhaltensweise des Kollegen […] informiert und um operative Einflussnahme gebeten" habe. Ein in der 1. Etage des Hotels befindlicher Monitorraum diente offiziell zwar nur der im gesetzlichen Rahmen erlaubten Sicherung der öffentlichen Räume des Hotels, wurde von der Abteilung VIII jedoch regelmäßig als Basis für Einsätze und zur Gewinnung operativ auswertbarer Informationen genutzt.

[Technische Zeichnung eines Ausschnittes des Dresdener Hotelneubaus "Bellevue". Beschriftet wurden die Telefonzentrale, der Flur, das Wirtschaftslager sowie die Servierausstellung und der Verkauf. Allein die Notvermittlung wurde rot umrahmt und zusätzlich wurde nachträglich notiert: 4,55x3m^2]  Hotelneubau Dresden

Nicht nur Telefon- und Fernschreibverbindungen waren das Ziel ständiger Überwachung, sondern auch das Hotelpersonal und vor allem die Gäste, zu denen häufig Politiker und Journalisten des nichtsozialistischen Wirtschaftsgebietes zählten. Oft berichteten diese Reporter über aktuelle politische Ereignisse in der Region, wie beispielsweise die Prager Flüchtlingszüge im Sommer 1989. So gingen in regelmäßigen Abständen Aufträge verschiedener Diensteinheiten des MfS bei der Abteilung 26 ein, um die Maßnahme B, die Überwachung von Personen in ihren Hotelzimmern durch verborgene Mikrofone, einzuleiten und so Informationen über deren Arbeitsweise, gesammelten Erkenntnisse durch Interviews oder Rücksprachen mit den jeweiligen Redaktionen zu gewinnen.

Die Maßnahme D stellte indessen ein noch tieferes Eindringen in die Intimsphäre der Zielpersonen dar. Durch das Anbringen verborgener Kameras in den Hotelzimmern ausgewählter Gäste konnte nicht nur ermittelt werden, wer mit wem im Privaten auf welche Weise verkehrte. Die damit erhaltenen Informationen und Beweismittel konnten dem MfS letztlich auch dazu dienen, die jeweilige Person angreifbar, und damit erpressbar zu machen.