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MfS-Lexikon

Hauptabteilung XX (Staatsapparat, Kultur, Kirchen, Untergrund/HA XX)

Synonym: HA XX

Die HA XX bildete den Kernbereich der politischen Repression und Überwachung der Staatssicherheit. In Struktur und Tätigkeit passte sie sich mehrfach an die sich wandelnden Bedingungen der Herrschaftssicherung an. Die Diensteinheit ging 1964 durch Umbenennung aus der Hauptabteilung V hervor, die ihrerseits in den Abteilung V und Abteilung VI (Überwachung Staatsapparat) (1950–1953) ihre Vorläufer hatte.

Die HA XX und die ihr nachgeordneten Abt. XX in den Bezirksverwaltung (Linie XX) sowie entsprechende Arbeitsbereiche in den Kreisdienststellen (KD) überwachten wichtige Teile des Staatsapparates (u. a. Justiz, Gesundheitswesen und bis 1986 das Post- und Fernmeldewesen), die Blockparteien und Massenorganisationen, den Kultur- und Sportbereich, die Medien und die Kirchen sowie SED-Sonderobjekte und Parteibetriebe. Federführend war die HA XX auch bei der Bekämpfung der "politischen Untergrundtätigkeit" (PUT), also der Opposition.

Ab der zweiten Hälfte der 50er Jahre und verstärkt seit dem Beginn der Entspannungspolitik fühlte sich das SED-Regime zunehmend durch die "politisch-ideologische Diversion" (PiD) bedroht. Die Schwächung der "Arbeiter-und-Bauern-Macht" durch "ideologische Aufweichung und Zersetzung" galt als Hauptinstrument des Westens bei der Unterminierung der DDR. Auch bei der Bekämpfung der PiD hatte die HA XX innerhalb des MfS die Federführung.

Das farbige Lichtbild zeigt im Vordergrund drei Herren, die sich an einem Tisch gegenüber sitzen und in ein Gespräch vertieft sind. Im Hintergrund sitzen weitere durchmischte Personengruppen an Tischen zusammen, es handelt sich sich um eine Bootsfahrt.

Das Erstarken der Bürgerrechtsbewegung (Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsgruppen) in der DDR führte in den 80er Jahren zu einem weiteren Bedeutungszuwachs der Linie XX. In der DA 2/85 bestätigte Minister Erich Mielke dementsprechend die Federführung der HA XX bei der Bekämpfung der PUT.

Im Verlauf der fast 40-jährigen Entwicklung der HA XX veränderte sich ihre Struktur mehrfach. In der Endphase verfügte sie über neun operative Abteilungen und vier Funktionalorgane der Leitung (Sekretariat, Arbeitsgruppe der Leitung, Koordinierungsgruppe des Leiters, Auswertungs- und Kontrollgruppe).

Die HA V lag ab 1953 zunächst im unmittelbaren Anleitungsbereich von Erich Mielke in seiner Eigenschaft als 1. Stellv. des Staatssicherheitschefs. Ab 1955 war der stellv. Minister Bruno Beater und 1964–1974 der stellv. Minister Fritz Schröder auf der Ebene der MfS-Leitung für die HA XX zuständig. Beide waren zuvor selbst (Beater 1953–1955, Schröder 1955–1963) Leiter der HA V. Seit 1975 gehörte die HA XX zum Verantwortungsbereich von Mielkes Stellvertreter Rudi Mittig. Von 1964 bis zur Auflösung des MfS leitete Paul Kienberg die HA XX. Ihm standen seit 1965 zwei Stellvertreter zur Seite.

1954 waren in der HA V insgesamt 139 Mitarbeiter beschäftigt. Im Herbst 1989 verfügte die HA XX über 461 Mitarbeiter, von denen mehr als 200 als IM-führende Mitarbeiter eingesetzt waren.

In den 15 Bezirksverwaltungen waren auf der Linie XX im Oktober 1989 insgesamt knapp 1.000 Kader und damit auf der gesamten Linie XX fast 1.500 hauptamtliche Mitarbeiter im Einsatz. Gleichzeitig konnte allein die HA XX mit etwas mehr als 1.500 inoffiziellen Mitarbeiter (IM) auf einen überdurchschnittlich hohen Bestand an inoffiziellen Kräften zurückgreifen. Ihrem Aufgabenprofil entsprechend spiegelt sich nicht zuletzt in der Entwicklung der HA XX auch die Geschichte von Opposition, Widerstand und politischer Dissidenz in der DDR. Im Herbst 1989 wurden von der Diensteinheit 31 Operativer Vorgänge (10 Prozent aller OV im Berliner Ministeriumsbereich) und 59 Operative Personenkontrollen (8,7 Prozent) bearbeitet.

Matthias Braun