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MfS-Lexikon

Hauptamtlicher Mitarbeiter

Die hauptamtlichen Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit bildeten die personelle Basis des Geheimpolizeiapparates.

Sie verstanden sich in der Tradition der sowjetischen Geheimpolizei als "Tschekisten" (siehe auch Ideologie, tschekistische) und Parteisoldaten an der "unsichtbaren Front". Jenseits dieser Selbstmystifizierung repräsentierten sie den gewaltsamen Kern kommunistischer Machtausübung. In der staatssozialistischen Gesellschaft waren sie Teil der staatsloyalen Dienstklasse und pflegten den Korpsgeist einer Elite von "Genossen erster Kategorie" (Wilhelm Zaisser).

Der hauptamtliche Apparat des Ministeriums für Staatssicherheit hatte 1989 einen Umfang von 91.015 Mitarbeitern (Stichdatum: 31.10.1989) und war damit - gemessen an der Bevölkerungszahl - einer der größten geheimen Sicherheitsapparate der Welt.

In den 50er Jahren hatte sich das MfS als stalinistische Geheimpolizei etabliert und erreichte bereits 1956 eine Personalstärke von rund 16.000 Mitarbeitern. Am stärksten wuchs der Stasi-Apparat von 1968 bis 1982. Die Weichenstellungen hierfür gingen seit Mitte der 60er Jahre mit einer neokonservativen Renaissance des Sicherheitsdenkens in der sowjetischen und DDR-Parteiführung einher und wurden durch die Erfahrungen des Prager Frühlings und seiner Niederschlagung 1968 bestätigt.

Hinter der Expansion stand ein groß angelegtes Abwehrprogramm gegen die intensivierten Kontakte nach Westdeutschland im Zuge der Entspannungspolitik. Das ausufernde Aufgabenverständnis mit dem Ziel der Massenüberwachung und die Arbeitsteilung der Großbürokratie erforderten immer mehr Personal. Aufgrund der Krise der Staatsfinanzen in der DDR musste das MfS ab 1983 jedoch die Zuwachsraten beim hauptamtlichen Personal deutlich absenken.

Die hauptamtlichen Mitarbeiter galten als Teil der kommunistischen Parteiavantgarde, von der Stalin gesagt hatte: "Die Kader entscheiden alles." Diesem Verständnis gemäß wählte die Staatssicherheit ihr Personal nach strengen Kriterien aus, was die Linientreue und die Abschottung zum Westen anging. Allgemeinbildung und besondere fachliche Qualifikationen gewannen erst im Laufe der Jahre eine gewisse Bedeutung. Da es in der DDR keine Beamten gab, standen die MfS-Mitarbeiter im Dienstverhältnis eines Berufssoldaten. Ausnahmen waren neben wenigen Zivilbeschäftigten die Zeitsoldaten des Wachregiments "Feliks Dzierzynski" (sowie an einigen anderen Stellen im Apparat Unteroffiziere auf Zeit).

Die Initiative für die Aufnahme in den MfS-Dienst musste in aller Regel vom MfS ausgehen. Selbstbewerber wurden verdächtigt, feindliche Spione zu sein. Faktisch war die Mitgliedschaft in der SED vorgeschrieben; allerdings durfte bei jungen Einstellungskandidaten die Aufnahme in die Partei auch noch nach Dienstantritt erfolgen. Neben der ideologischen Linientreue stand das Verbot jeglicher Westkontakte im Zentrum der Rekrutierungsregeln: Aus Furcht vor dem Eindringen gegnerischer Geheimdienste durften die Mitarbeiter sowie ihre engere Familie keine persönlichen Verbindungen in den Westen unterhalten. Gab es Verwandte im Westen, so war der Kontakt zu ihnen abzubrechen.

Ehemalige Nationalsozialisten stellte die Stasi grundsätzlich nicht ein.

In den 50er Jahren erfolgte die Werbung häufig aus der Volkspolizei oder hauptamtlichen SED- und FDJ-Funktionen. Außerdem hielten die Offiziere in den Betrieben und Einrichtungen, die sie zu überwachen hatten, Ausschau nach geeigneten Kandidaten. Später suchte das MfS systematisch in den Musterungsjahrgängen. In den 80er Jahren ließ die Bereitschaft jugendlicher Einstellungskandidaten selbst aus dem SED-nahen Milieu nach, sich den Kontaktverboten und rigiden Verhaltensregeln des MfS zu unterwerfen. Ab 1981 beteiligte es sich deshalb mit festen Sollquoten an der militärischen Nachwuchswerbung ab der 7. Klasse der Polytechnischen Oberschule.

Das soll Dein Weg zu uns sein!  Berufsvorbereitung  7. Klasse  Treffe hier schon deine Vorentscheidung!  Stelle einen formlosen Antrag über deinen Klassenlehrer!  [Das schwarzweiße Bild zeigt einen Jungen, der vermutlich mit einem Pinsel am Hinterrad eines größeren Modellautos streicht.]  8. Klasse  Entscheidest Du Dich endgültig, erkläre Deine Bereitschaft gegenüber dem MfS und fülle den Bewerbungsbogen aus!  [In einem Torbogen steht ein bewaffneter Soldat. Links daneben ist ein Relief angebracht, darunte rhängt ein Blumenkranz. Unter dem vermutlichen Denkmal stehen mehrere kleine gefüllte Blumenvasen, ein paar Mädchen stellen neue dazu.]  9. Klasse  In der 9. Klasse wird Dir mitgeteilt, ob Du aufgrund Deiner Leistungen und Verhaltensweisen Bewerber des MfS werden kannst.  [An einem Tisch sitzen insgesamt sechs junge Menschen zu einer Diskussion zusammen, von einem ist der Aufnäher der FDJ am Hemdsarm zu erkennen.]  10. Klasse und Berufsausbildung Berufsausbildung mit Abitur EOS  Die 10. Klasse und Berufsausbildung öffnet Dir den Weg als Berufsunteroffiziersbewerber.  Die Berufsausbildung mit Abitur bzw. der Abschluß der EOS sind Grundlage für Dich, Berufsoffiziersbewerber zu werden.  [Ein Junge mit Kopfhörern sitzt vor einem Funkgerät. Er hält ein Mikrofon in der linken und notiert sich etwas mit der rechten Hand.] [Neben einem Planen-Lkw rollt ein junge in Uniform einen passenden Lkw-Reifen heran.]  Einstellung  Dienst im MfS  Berufsunteroffizier  Berufsoffizier  [Ein Uniformierter mit Mütze zeigt einem Jungen in Uniform Uniformjacken in einem Spint.]

An der Spitze des Apparates stand seit 1950 ein harter Kern von erfahrenen kommunistischen Untergrundkadern mit langjährigen Erfahrungen in den Straßenkämpfen und Saalschlachten während der Weimarer Republik, dem Widerstand gegen den Nationalsozialismus, der Haft in Zuchthaus und Konzentrationslager, der Emigration in die Sowjetunion, des Militärdienstes im Spanischen Bürgerkrieg sowie in Partisanen- und Agenteneinsätzen im Zweiten Weltkrieg. Nach 1945 hatten diese Kader die Polizei der Sowjetischen Besatzungszone nach kommunistischen Vorstellungen aufgebaut. Einige von ihnen prägten die Atmosphäre im Apparat bis in die späten Jahre, allen voran der seit 1957 amtierende Minister, Armeegeneral Erich Mielke.

Da es nur einige Hundert solcher kommunistischer Polizei- und Militärkader gab, erfolgte der Personalausbau zunächst überwiegend mit jungen Männern, die vor 1945 durch die Hitlerjugend und den Krieg geprägt worden waren und nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches häufig über die Freie Deutsche Jugend (FDJ) zur Volkspolizei gekommen waren. Meist stammten sie aus unterprivilegierten Verhältnissen und hatten nur eine einfache Volksschulbildung.

Prägend für diese Generation waren neben den alten Kommunisten als Vorbilder die Indoktrination durch Stalins Lehre von der ständigen Verschärfung des Klassenkampfs sowie die alltäglichen Erlebnisse im Apparat: die Suche nach angeblichen oder tatsächlichen Agenten westlicher "Feindorganisationen", die Verhaftungen und nächtelangen Verhöre bis zum Geständnis, das Gefühl der schrankenlosen Macht.

Seit den 60er und 70er Jahren stillte das MfS seinen Personalhunger überwiegend aus Elternhäusern der sozialistischen Dienstklasse. Mehr als die Hälfte der eingestellten Nachwuchskräfte waren Funktionärskinder, vorwiegend aus den bewaffneten Organen (MfS, NVA, DVP) und dem SED-Parteiapparat.

Frauen waren im MfS-Apparat mit einem Anteil von ca. 16 bis 19 Prozent stets eine Minderheit und überwiegend auf typische Berufe wie Sekretärinnen usw. festgelegt. Für die eigentliche geheimdienstliche Arbeit spielten sie nur in der Informationsauswertung sowie bei der Postkontrolle eine gewisse Rolle. Weibliche Führungsoffiziere für inoffizielle Mitarbeiter oder Vernehmungsoffiziere gab es selten, weibliche Generäle gar nicht.

Die Besoldungsregeln der MfS-Mitarbeiter entsprachen formell weitgehend denen der anderen bewaffneten Organe (NVA, DVP). Die Eingruppierung erfolgte beim MfS jedoch bei vergleichbarem Qualifikationsniveau und Tätigkeitsprofil mehrere Dienststellungs- und Dienstgradstufen höher. Dadurch kam eine erheblich höhere Bezahlung zustande.

Pflichten eines Angehörigen des MfS  Tschekist sein kann nur ein Mensch mit kühlem Kopf, heißem Herzen und sauberen Händen. F. E. Dzierzynski  [Es folgt eine schmale und gleichzeitig lang gestreckte stilisierte Fahne der DDR.]  Fahneneid  Ich schwöre:  Der Deutschen Demokratischen Republik, meinem VBaterland, allzeit treu zu dienen und sie auf Befehl der Arbeiter-und-Bauern-Regierung gegen jeden Feind zu schützen.  Ich schwöre:  An der Seite der Nationalen Volksarmee und der anderen bewaffneten Organe der Deutschen Demokratischen Republik, der Armeen, der Schutz- und Sicherheitsorgane der Sowjetunion und der mit uns verbündeten sozialistischen Länder als Angehöriger des Ministeriums für Staatssicherheit die Feinde des Sozialismus auch unter Einsatz meines Lebens zu bekämpfen und alle mir gestellten Aufgaben zur Gewährleistung der staatlichen Sicherheit zu erfüllen.  Ich schwöre:  Ein ehrlicher, tapferer, disziplinierter und wachsamer Angehöriger des Ministeriums für Staatssicherheit zu sein, den Vorgesetzten unbedingten Gehorsam zu leisten, die Befehle mit aller Entschlossenheit zu erfüllen und die militärischen Geheimnisse immer streng zu wahren und zu schützen.  Ich schwöre:  Die Kenntnisse und Fähigkeiten zur Erfüllung meiner Aufgaben gewissenhaft zu erwerben, die dienstlichen Bestimmungen einzuhalten und immer und überall die Ehre unserer Republik und des Ministeriums für Staatssicherheit zu wahren.  Sollte ich jemals diesen meinen feierlichen Fahneneid verletzen, so möge mich die harte Strafe der Gesetze unserer Republik und die Verachtung des werktätigen Volkes treffen.

Nach den Beschlüssen zur Auflösung des MfS wurden die hauptamtlichen Mitarbeiter bis zum 31.03.1990 aus dem militärischen Dienstverhältnis entlassen. In der vereinigten Bundesrepublik sind sie häufig in privaten Sicherheitsunternehmen, Detekteien, Versicherungen sowie im Bereich der öffentlichen Beschäftigungsförderung tätig geworden. Etwa 1.500 hauptamtliche Mitarbeiter sind in den Polizeidienst des Bundes und der neuen Länder übernommen worden. Die Gesamtzahl der MfS-Mitarbeiter im öffentlichen Dienst ist nicht bekannt. Strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen wurden nach 1990 nur wenige Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (siehe auch Strafverfolgung wegen MfS-Unrechts).

Literatur

  • Gieseke, Jens: Die hauptamtlichen Mitarbeiter der Staatssicherheit. Personalstruktur und Lebenswelt 1950-1989/90. Berlin 2000.

Jens Gieseke