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MfS-Lexikon

Kerblochkarten (KK)

Synonym: KK

Kerblochkarten waren Handlochkarten mit zwei gestanzten Lochreihen am Kartenrand. Die Lochreihen sind in Felder und Paare gegliedert, deren Löcher zur Speicherung von Informationen zum Kartenrand hin flach (äußere Reihe) oder tief (innere Reihe) nach einem verbindlichen Schlüssel gekerbt wurden.

Kerblochkarten bedurften keiner inneren Sortierung. Bei der Auswertung wurde eine Selektionsnadel in das Loch für das abgefragte Merkmal geschoben und der Kartenblock angehoben oder gekippt. Auf das Merkmal zutreffende Karten fielen dabei heraus. Mit Selektionsgabeln ließen sich mehrere Merkmale gleichzeitig abfragen. Selektionsgeräte für komplexe Abfragen an einem Kartenrand konnten bis zu 350 Kerblochkarten gleichzeitig aufnehmen.

Das MfS benutzte seit den 60er Jahren Kerblochkarten im Format DIN A4 mit je nach Verwendungszweck unterschiedlichen Aufdrucken. Die F 410 (Personenkerbloch-Karteien DDR und West), die Delikte-Kartei und die Kfz-Kartei bildeten einen grundlegenden Bestandteil des operativen Auswertungs- und Informationssystems, das durch Mielkes Befehl 299/65 im MfS eingerichtet wurde. Das Kerblochkarten-System ermöglichte gezielte Recherchen, statistische Auswertungen und die Steuerung von Informationsflüssen. Daneben gab es andere Kerblochkarten-Formen, etwa die zu den Ermittlungsverfahren der Hauptabteilung IX oder die IM-Vorauswahlkarteien.

Durch Mielkes Dienstanweisung 1/80 wurde das 1965 eingeführte Kerblochkarten-System wieder abgeschafft. Ihre Auswertungsfunktion wurde (in erweiterter Form) von den VSH-Kartei und Sichtlochkarteien (Sichtlochkarten) und der ZPDB (Zentrale Personendatenbank) übernommen. Einzelne Diensteinheiten (z.B. Hauptabteilung XX) verwandten Kerblochkarten jedoch bis zuletzt als ihre zentrale Personenkartei sowie für spezielle Informationsspeicher.

Die Aufnahme eines Personennamens in eine der (in Befehl 299/65 definierten) Kerblochkarten galt als aktive Erfassung, darum wurde zusätzlich eine F 16-Personenkarteikarte für den zentralen Nachweis ausgestellt. Diese Erfassungsart blieb mit einer inhaltlichen Definition auch nach 1980, trotz Abschaffung der Kerblochkarten als verbindliches Speichermittel, bestehen (KK-Erfassung).

Kerblochkarten trugen oft umfangreiche Textinformationen und konnten zu Zentralen Materialablagen führen. Unterlagen über in Kerblochkarten erfasste Personen, die für die laufende Arbeit nicht mehr benötigt wurden, kamen seit 1974 im Archiv der Abteilung XII als "Archiviertes Material zu ehemals KK-erfassten Personen" (AKK) zur Ablage.

Roland Lucht