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MfS-Lexikon

Sowjetischer Geheimdienst, Verhältnis des MfS zum

Synonym: Verhältnis des MfS zum sowjetischen Geheimdienst

Das MfS entstand unter der Ägide der sowjetischen Staatssicherheit (MGB) und fungierte in den ersten Jahren weithin als ihr Hilfsorgan. 1958 gewann es größere Eigenständigkeit, blieb aber in vielfältiger Weise von den Vorgaben des KGB, der Nachfolgeorganisation des MGB, abhängig.

Unmittelbar nach der Besetzung Ostdeutschlands begannen die Sowjets mit dem Aufbau nachrichtendienstlicher Strukturen in ihrer Zone und schufen sehr bald auch besondere Strukturen innerhalb der deutschen Polizei mit geheimpolizeilichen Hilfsaufgaben. Hieraus entstand in der Folgezeit ein Sonderbereich der Kriminalpolizei, der für politische und NS-Delikte zuständig war und zu Jahresbeginn 1947 unter der Bezeichnung K 5 vereinheitlicht wurde.

[Das schwarz-weiße Lichtbild zeigt Erich Mielke rechts von Juri Andropow, dem Vorsitzenden des KGB, wie sie hinter einem langen Tisch sitzen und feierlich Schriftstücke unterzeichnen. Links neben Andropow und rechts neben Mielke stehen die jeweiligen Vertrauten, die die zu unterzeichnenden Unterlagen reichen. Am vorderen Tischende stehen zwischen ihnen Wimpel der Flaggen des vertretenen Landes. Vor einem Vorhang stehen im Hintergrund zehn männliche Personen, jeweils fünf der unterzeichnenden Vertragspartei. Alle beteiligten tragen Anzüge, die Vertreter des MfS jeweils mit einem Orden auf der rechten Seite der Brust.]

Auf Drängen der SED-Führung beschloss Stalin im Dezember 1948 gegen den Willen der sowjetischen Staatssicherheit die Gründung einer eigenen deutschen Staatssicherheit, die im Laufe des Jahres 1949 nach dem sowjetischen Vorbild aufgebaut wurde und nach der Gründung der DDR mit der Bezeichnung "Hauptverwaltung zum Schutz der Volkswirtschaft" zunächst unter dem Dach des Innenministeriums arbeitete.

Dies geschah unter strengster Kontrolle des MGB, der in alle wichtigen Struktureinheiten des im Februar 1950 gegründeten MfS eigene Instrukteure bzw. Berater. sowjetische abkommandierte, die dort faktisch Weisungs- und Vetorechte besaßen.

Die Durchführung eigener Operationen und die Anleitung des MfS waren in den ersten Jahren der DDR als Aufgabenbereiche im Karlshorster MGB-Apparat nicht scharf voneinander getrennt. Das MfS fungierte noch weitgehend als Hilfsorgan des MGB, dessen Ostberliner Bevollmächtigter gleichzeitig oberster Chefberater der DDR-Staatssicherheit war. Im Frühjahr 1953 umfasste der MGB-Apparat in der DDR gut 2.200 Mitarbeiter.

In der Amtszeit Wilhelm Zaissers bis 1953 besaßen die sowjetischen Berater in der strukturell noch schwachen DDR-Staatssicherheit die uneingeschränkte operative Federführung und übernahmen die Bearbeitung der bedeutsameren Vorgänge häufig selbst. Nach Stalins Tod im Jahr 1953 betrieb Berija dann die Reduzierung des sowjetischen Geheimdienstapparates in Deutschland und beabsichtigte auch, die Weisungsbefugnisse der Berater abzuschaffen.

Doch nach seinem Sturz waren diese Pläne obsolet. Der neue Bevollmächtigte des sowjetischen Innenministeriums in Ostberlin, Jewgeni Pitowranow, reagierte auf den Juniaufstand 1953 mit der Verstärkung der eigenen operativen Aktivitäten und einer wieder intensivierten Anleitung des MfS. Zu diesem Zweck schuf er in Karlshorst eine eigene von den operativen Fachabteilungen getrennte Beraterabteilung. Bemühungen Ulbrichts, das MfS stärker an die SED anzubinden, scheiterten an seinem Widerstand.

Auch die Berufung Ernst Wollwebers zum neuen Staatssicherheitschef trug die Handschrift der Sowjets und war nicht im Sinne des SED-Chefs. Bei der Ausarbeitung einer neuen Staatssicherheitsstrategie der "konzentrierten Schläge" im Frühherbst 1953, die eine offensivere Ausrichtung sowie umfassende propagandistische Aktivitäten beinhaltete, ist die sowjetische Federführung ebenfalls erkennbar. Auch die Beendigung der "konzentrierten Schläge" und die verstärkte Orientierung der DDR-Staatssicherheit auf die Westarbeit 1955 ging auf sowjetische Vorgaben zurück.

Die entscheidende Wende im Verhältnis von KGB und MfS vollzog sich 1957. Im Zuge des erfolgreichen Machtkampfs mit Wollweber gelang es Ulbricht, auch die Stellung der sowjetischen Berater zu schwächen. Die SED-Spitze übernahm jetzt die Federführung in den eigenen Staatssicherheitsangelegenheiten, was sich in der Rücknahme der ausgeprägten Ausrichtung des MfS auf die Westarbeit zugunsten einer intensiveren inneren Überwachung zeigte.

Jetzt kam es auch zur Stärkung der Anleitungsbefugnisse des Parteiapparats gegenüber dem MfS, die 1953 noch am Widerstand der Sowjets gescheitert war. Personell wurde diese Zäsur durch die Entlassung Wollwebers und die Berufung des Ulbricht-Vertrauten Erich Mielke zum Minister für Staatssicherheit besiegelt. Zur Jahreswende 1958/59 reduzierte der KGB seine Berater von 76 auf 32 und beschränkte deren Kompetenzen im Wesentlichen auf die von Verbindungsoffizieren.

Noch 20 Jahre später wird die gleiche Zahl in einem "Protokoll zur Zusammenarbeit" genannt. Es gibt freilich deutliche Hinweise darauf, dass mehr KGB-Mitarbeiter im MfS präsent waren, weil die Verbindungsoffiziere noch Gehilfen und technisches Personal (Dolmetscher, Sekretärinnen, Fahrer usw.) hatten.

Darüber hinaus gab es die KGB-Residentur in Berlin-Karlshorst mit zuletzt zwischen 800 und 1.200 Mitarbeitern. Sie war der I. Hauptverwaltung (Spionage) des KGB unterstellt. Zudem bestanden kleinere KGB-Residenturen in den Bezirken der DDR. Sie alle waren vor allem mit Spionage in der Bundesrepublik befasst und arbeiteten dabei mit dem MfS zusammen.

Als rechtliche Grundlage für den Einsatz von KGB-Verbindungsoffizieren im MfS dienten Verträge vom Oktober 1959 und vom Dezember 1973. In der wahrscheinlich am 30.10.1959 unterzeichneten Vereinbarung "Über die Gruppe des Komitees für Staatssicherheit beim Ministerrat der UdSSR zur Koordinierung und Verbindung mit dem MfS der DDR" wurde als Ziel der Zusammenarbeit genannt: die gemeinsame "Bekämpfung der gegen die Sowjetunion und die DDR gerichteten Wühlarbeit" westlicher "Geheimdienste, Spionage- und Propagandazentralen sowie der antisowjetischen Emigrantenorganisationen".

Die Kompetenzen der Verbindungsoffiziere waren recht umfassend definiert: "Die Verbindungsoffiziere erhalten die Möglichkeit, die operativen Aufgaben zu studieren, die die gemeinsam zu erfüllenden Handlungen betreffen, sowie auch werden [sie] in Kenntnis gesetzt über alle Informationen, die die allgemeine und operative Lage in der DDR, Westdeutschland und in anderen kapitalistischen Ländern kennzeichnen."

Die Vereinbarung über die Zusammenarbeit zwischen dem Ministerium für Staatssicherheit der Deutschen Demokratischen Republik und dem Komitee für Staatssicherheit beim Ministerrat der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken" vom 06.12.1973 war in diesem Punkt nicht ganz so weitgehend. Es wurde nur noch in allgemeinerer Form von Zusammenarbeit, Informationsaustausch und gegenseitiger Unterstützung gesprochen. An den grundsätzlichen Zielen wurde nichts verändert.

Die KGB-Verbindungsoffiziere waren in allen Bezirksverwaltungen sowie in den wichtigsten Hauptabteilungen und Abteilungen des Ministeriums platziert. Ihr militärischer Rang war meist der eines Oberst, also relativ hoch angesiedelt auf dem Niveau eines stellv. Hauptabteilungsleiters im MfS.

Außer den Grundsatzvereinbarungen gab es zwischen einzelnen Abteilungen von MfS und KGB Abkommen bzw. Protokolle über Zusammenarbeit bei konkreten Abwehr- bzw. Spionageprojekten. Zur Vertiefung der Zusammenarbeit fanden regelmäßige Arbeitstreffen von Hauptabteilungen und bi- und multilaterale Konferenzen auf Ministeriums- bzw. Komitee-Ebene statt (z.B. zu Fragen der "Aufklärung" und zum Kampf gegen die "politisch-ideologische Diversion "). Zudem wurde Ende der 70er Jahre eine gemeinsame Datenbank mit Informationen über den Gegner (SOUD) eingerichtet.

In den späten 80er Jahren hat die Zusammenarbeit aus der Sicht des MfS unter der sowjetischen Reformpolitik gelitten. Soweit erkennbar, ließen die KGB-Offiziere keine Zweifel an ihrer Loyalität zur neuen sowjetischen Führung aufkommen, und es gibt keinen Beleg dafür, dass sie ihre Genossen vom MfS in den entscheidenden Monaten zu einer repressiveren Politik ermutigt hätten, eher im Gegenteil. Nach ihrem endgültigen Abzug haben sie kaum Spuren hinterlassen: "Karlshorst" wurde - wie zuvor schon die Büroräume der Verbindungsoffiziere in Ministerium und Bezirksverwaltungen für Staatssicherheit - besenrein übergeben.

Literatur

  • Gieseke, Jens; Kamiński, Łukasz; Persak, Krzysztof: Handbuch der kommunistischen Geheimdienste in Osteuropa 1944-1991. Göttingen 2009.
  • Engelmann, Roger: Diener zweier Herren. Das Verhältnis der Staatssicherheit zur SED und den sowjetischen Beratern 1950-1959. In: Suckut, Siegfried u. Süß, Walter (Hg.): Staatspartei und Staatssicherheit. Zum Verhältnis von SED und MfS. Berlin 1997, S. 51-72.

Roger Engelmann, Walter Süß