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MfS-Lexikon

Verwaltung/Bereich Aufklärung des MfNV

Neben dem MfS existierte von Juli 1952 bis 1990 unter wechselnden Namen ein weiterer (Auslands-)Nachrichtendienst der DDR im Geschäftsbereich zunächst des Innenministeriums, ab 1956 des Ministeriums für Nationale Verteidigung (MfNV). Dieser von 1964 bis 1984 als "Verwaltung Aufklärung", danach bis Anfang 1990 als "Bereich Aufklärung" bezeichnete Militärgeheimdienst wurde nach dem Vorbild und in Zusammenarbeit mit der Hauptverwaltung Aufklärung (Glawnoje Raswedywatelnoje Uprawlenije – GRU) im Generalstab der sowjetischen Streitkräfte aufgebaut.

V/B. betrieb Spionage gegen Einrichtungen der Bundeswehr und der NATO sowie der militärtechnischen Forschung und Rüstung in Nord- und Westeuropa, besonders in der Bundesrepublik, den Benelux-Staaten, Dänemark und Frankreich. Während die HV A auf militärpolitische und -strategische Spionage zielte, konzentrierte sich der Nachrichtendienst der Nationalen Volksarmee (NVA) auf operativ-taktische Militärspionage bis in untere Dienststellen der Bundeswehr, besaß aber auch einzelne Quellen mit Zugang zu militärstrategischem und politischem Wissen.

Bis 1961 operierte die V/B. vor allem mit "menschlichen Quellen" und wertete offen zugängliche Informationen aus. Anfang November 1961 kam die Funk und funktechnische Aufklärung in Frankfurt (Oder) (seit 1963 in Dessau) mit einem Funkaufklärungsbataillon (seit Januar 1966 -regiment) hinzu. Die ursprünglich selbständige operativ-taktische Aufklärung, also die klassische Truppenaufklärung der Streitkräfte, wurde 1964 in die V/B. eingegliedert. Ein Jahrzehnt später folgten die Militärattachés, die zuvor zur Verwaltung Internationale Verbindungen im MfNV zählten.

Mit Umgliederung der Verwaltung zum Bereich Aufklärung 1984 bestand der NVA-Geheimdienst aus fünf Verwaltungen und vier Abteilungen: 1. Verwaltung: Agenturische Aufklärung mit menschlichen Quellen ("Spione"); 2. Verwaltung: Strategische Aufklärung mit Militärattachés und anderen offiziellen Positionen ("Legalisten"); 3. Verwaltung: Operativ-taktische Aufklärung mit den Aufklärungskräften der NVA einschließlich dem Funkaufklärungsregiment; 4. Operative Sicherstellung (Logistik) und 5. dem Informationsdienst, der Spionageauswertung. Hinzu kamen Abteilungen für Grundsatzfragen, Kader (Personal), Finanzen und Politarbeit.

1988/89 war die V/B. 2.239 Soldaten stark. Davon entfiel etwa die Hälfte auf das Funkaufklärungsregiment. Mit seinen etwas über 1.000 hauptamtlichen Mitarbeitern in der Zentrale betrug die Personalstärke des V/B. weniger als ein Viertel des Umfangs der HV A mit ca. 4.500 Hauptamtlichen (einschließlich der Abt. XV in den BV des MfS). Das "agenturische" Netz im Westen, bestehend aus Objektbeobachtern, Marschaufklärern und Innenquellen, umfasste zu diesem Zeitpunkt 138 Personen, darunter zehn Spitzenquellen.

Während V/B. mit verschiedenen Linien des MfS offiziell kooperierte, wurde der Dienst selbst intensiv durch dessen HA I mit Hilfe von OibE und IM überwacht. 1988 betrug die IM-Dichte im Militärgeheimdienst 1:3,7 (ohne Funkaufklärungsregiment); in der 1. Verwaltung kam sogar ein IM auf 2,1 Angehörige (NVA insgesamt: 1:13).

Der mit Befehl des Verteidigungsministers Admiral Theodor Hoffmann am 17.01.1990 in Informationszentrum (IZ) umbenannte V/B. schaltete mit Befehl vom 06.03. des Jahres sein westliches Quellennetz ab. Mit der Übernahme der militärischen Kommandogewalt durch die Bundeswehr wurde V/B. nach dem 03.10.1990 aufgelöst. Zunächst verblieben 45 Offiziere des IZ in der Bundeswehr. Ähnlich wie bei NVA-Politoffizieren und Angehörigen der Grenztruppen wurde jedoch kein Mitarbeiter des Dienstes dauerhaft übernommen.

Armin Wagner