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Die Aufarbeitung geht weiter

Nordwest Zeitung: Ende der Stasi-Unterlagenbehörde: Die Akten kommen ab Juni 2021 ins Bundesarchiv. Ein Abschied mit einem lachenden oder weinenden Auge?

Roland Jahn: Ich freue mich, dass der Gesamtbestand des Stasi-Unterlagen-Archivs jetzt als Teil des „Gedächtnisses der Nation“ im Bundesarchiv dauerhaft gesichert wird. Das ist die wichtige Botschaft für die Zukunft. Wir werden den Opfern der SED-Diktatur gerecht und bauen gleichzeitig eine Brücke zur nächsten Generation.

Es gibt Befürchtungen, dass da ein Schlussstrich gezogen werden soll...

Jahn: Im Gegenteil: Es geht darum, den Herausforderungen für die Zukunft gerecht zu werden. Hier werden Kompetenz, Technik und Ressourcen gebündelt. Die Digitalisierung der Akten wird vorangetrieben und die Erschließung des Archivs gewährleistet. So wird Sorge getragen, dass auch die nächste Generation die Stasi-Unterlagen nutzen kann. Zur Aufklärung über die SED-Diktatur und auch zur Sensibilisierung für die Werte von Freiheit und Menschenrechten. Aufklärung kennt kein Ende und kein Verfallsdatum.

Und das kann man auch für die Stasi-Unterlagen sagen?

Jahn: Die Hinterlassenschaft der Staatssicherheit hat einen ganz besonderen Charakter. Sie dokumentiert die Arbeit der Geheimpolizei in der SED-Diktatur. Sie hat aber auch einen wesentlichen Beitrag für die Aufarbeitung der SEDDiktatur geleistet. Die vielen Dokumente, die von den Betroffenen eingesehen und ausgewertet worden sind, haben geholfen, dass Menschen ihre Selbstbestimmung zurückerobern konnten und dass die Verantwortung für das geschehene Unrecht benannt werden konnte.

Im Kampf gegen die Corona-Pandemie werden Grundrechte und Freiheit eingeschränkt. Für Sie als früheren DDR-Bürgerrechtler ein besonders schmerzhafter Prozess?

Jahn: Gerade der Blick in die Stasi-Akten macht deutlich, dass die notwendigen Beschränkungen heute nichts mit einer Diktatur zu tun haben. Eine solche Gleichsetzung verbietet sich. Es wird ja darüber debattiert und gestritten, wie wir mit dieser Pandemie umgehen. Jeden Tag neu. Keiner kann dabei für sich in Anspruch nehmen, er hätte die Wahrheit gepachtet. Das ist anstrengend, aber so ist Demokratie.