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Zwischen der Stasi und der NSA gibt es einen Unterschied

Rostock - Der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn, referiert heute an der Uni Rostock über den Unterschied zwischen NSA und DDR-Geheimpolizei

OZ: Herr Jahn, warum sprechen Sie vor dem Forum der Uni Rostock, bei dem es um Überwachung und Privatheit nach der Snowden-Ära geht? Was hat die NSA mit der Stasi zu tun?

Roland Jahn: Eigentlich nichts. Aber in der Auseinandersetzung mit der Geheimpolizei der DDR können wir dazu beitragen, dass Menschen ihre Sinne schärfen, um heutige Probleme mit Geheimdiensten zu betrachten. Es ist hilfreich, dass wir die Akten der Staatssicherheit geöffnet haben und so sichtbar ist, wie dieser Geheimdienst Menschenrechte systematisch verletzte, wie er Menschen ausspionierte und drangsalierte.

Wollen Sie damit Stasi mit NSA gleichsetzen?

Jahn: Das tue ich nicht. Doch wir müssen uns dem stellen, dass Menschen genau diese Empfindung haben: die NSA ist ja wie die Stasi. Dabei gibt es einen prinzipiellen Unterschied.

Wo liegt der? Abgehört ist abgehört?

Jahn: Die Geheimpolizei der DDR war Schild und Schwert einer Partei. Und sie hat mit menschenrechtswidrigen Methoden deren Macht gesichert, völlig unkontrolliert. Ein Geheimdienst in der Demokratie hat dagegen die Aufgabe, Menschenrechte zu schützen, und zwar nach demokratischen Regeln und kontrolliert. Wenn das nicht regelgerecht geschieht, müssen die Instrumente der Demokratie eingreifen.

Wo ist die Grenze zwischen Freiheit und Überwachung?

Jahn: Immer dann, wenn Grundrechte verletzt werden, muss ein Stoppzeichen gesetzt werden. Es ist die Herausforderung für die Politik, das Regelwerk für Geheimdienste so zu bestimmen, dass die Freiheit geschützt wird, ohne dabei grundlos Freiheitsrechte einzelner einzugrenzen. Die entscheidende Frage ist: Gelingt es uns, die Geheimdienste demokratisch zu kontrollieren, gelingt es, die Verletzung von Menschenrechten zu verhindern. Denn die Dienste arbeiten ja im Geheimen. Das ist ein Prüfstein für die Demokratie. Im Zweifel kann sie Dienste auch abschaffen.

War das jetzt Ihr Plädoyer für die Abschaffung des BND?

Jahn: Nein, im Gegenteil. Wichtig ist eine effiziente, demokratische Kontrolle. Man muss sich genau überlegen, ob man Dienste abschafft oder nicht. Es geht schließlich um unsere Sicherheit. Hier ist die Politik gefordert.

In den USA sehen viele die NSA anders. Sie wird gelobt, weil sie einen guten Job gemacht, den Interessen des Landes gedient hat. Gibt es einen Unterschied in der Sicht auf die Dienste?

Jahn: Auch aus der Erfahrung mit zwei Diktaturen gibt es hier eine höhere Sensibilität, was staatliche Eingriffe in Grundrechte betrifft. Wir achten vielleicht auch mehr darauf, dass Grundrechte weltweit eingehalten werden.

Hat im Fall des BND die demokratische Kontrolle aber nicht kläglich versagt?

Jahn: Dass in Sachen NSA nicht alles nach demokratischen Grundregeln verlaufen ist, ist doch offenkundig geworden, nicht zuletzt im Untersuchungsausschuss des Bundestages. Doch wichtig ist es jetzt, daraus die Konsequenzen zu ziehen, damit sich so etwas nicht wiederholen kann.

Was wäre einem Whistleblower wie Edward Snowden bei der Stasi passiert?

Jahn: Darüber will ich nicht spekulieren. Wir wissen, wie brutal die Staatssicherheit mit ihren Gegnern umsprang.

Es gibt auch das Argument, die können ausspionieren, was sie wollen, ich habe doch nichts zu verbergen, ich bin kein Terrorist. Verstehen sie diese Haltung?

Jahn: Wenn ich mit jungen Leuten über die Stasi spreche, dann merke ich immer wieder, wie die Sensibilität für den Umgang mit den eigenen Daten wächst.

Das Interview führte Reinhard Zweigler