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"Das Unmögliche wurde möglich"

Herzlich Willkommen - hier im ehemaligen Offizierskasino des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR.

Das hätten die Offiziere der Stasi niemals gedacht. Die Staatsfeinde, die sie einst ins Visier genommen und in ihren Operativvorgängen bearbeitet haben, sitzen heute in ihrem früheren Kasino und eröffnen feierlich eine Ausstellung über die Stasi: "Staatssicherheit in der SED-Diktatur"

Eine Ausstellung, die aufklärt über das, was diese Offiziere Tag für Tag getrieben haben, an ihren Schreibtischen, hier in der Zentrale der Geheimpolizei der DDR. Hier, am Dienstsitz des Ministers für Staatssichert in Berlin-Lichtenberg organisierten sie mit etwas bürokratischem Abstand die Unterdrückung von Menschenrechten. Schreibtischtäter waren sie. Überwachen, verängstigen, verfolgen – das war ihr Werk. Ein ganzes Volk, so war ihr Auftrag, sollten sie so in Schach halten. Fast 40 Jahre hat das funktioniert. Doch dann geschah das, was kaum einer sich vorstellen konnte. Das Unmögliche wurde möglich.

Wir haben gerade die Bilder der Tagesschau gesehen, von dem Tag, der uns heute hier alle zusammen bringt. Ja, der 15.Januar ist ein wahrlich historisches Datum. Am 15. Januar 1990, morgen vor 25 Jahren, wurde vollendet was in den Bezirken der DDR im Dezember 89 begonnen hatte. Mit der Besetzung der Stasi-Dienststellen wurde dem Treiben der Stasi ein Ende gesetzt.

Die Friedliche Revolution in der DDR hat hier eine deutliche Entsprechung gefunden: Ohne Waffengewalt haben die Bürger das mächtigste Instrument der Repression unter Kontrolle gebracht. Die Entmachtung der Geheimpolizei, sie ist mit diesem 15. Januar 1990 durch die Bürger selbst besiegelt worden. Erstmalig in der Welt haben mutige Bürgerinnen und Bürger dafür gesorgt, dass die Akten einer Geheimpolizei gesichert und den Menschen zugänglich gemacht wurden und werden, in deren Leben die Stasi eingegriffen hatte. Was die Bürgerinnen und Bürger an jenem kalten Januarabend auf den Weg gebracht haben, hat schließlich eine lange Fortsetzung gefunden. Ihr Triumph über die Diktatur war auch ein Geschenk an die neue Demokratie.

Diesen Triumph, diesen Befreiungsakt gilt es immer wieder zu erinnern. Gerade auch an dem Ort der Stasi-Zentrale, an dem fast 40 Jahre lang die Pläne für die Unterdrückung der Freiheit und Menschenrechte entworfen und umgesetzt wurden. Woran erinnern wir uns? Welche Lehren bleiben? Was bedeutet diese Geschichte für die nächsten Generationen?

Die neue Ausstellung "Staatssicherheit in der SED-Diktatur" in Haus 1, im Gebäude gegenüber, dem ehemaligen Dienstsitz von Stasi-Chef Erich Mielke, zeigt die Staatssicherheit als das was sie war: Schild und Schwert der SED. Die Stasi war das zentrale Instrument zur Durchsetzung der Macht der SED, der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands.

Doch die Stasi war nicht nur ein Apparat, nicht nur ein Organigramm, nicht nur eine Ansammlung von Zahlen. Die Stasi, das waren: Viele zehntausende von hauptamtlichen und inoffiziellen Mitarbeitern, die tagtäglich für die "Staatssicherheit in der SED-Diktatur" in der gesamten DDR und auch im Westen Deutschlands aktiv waren.

Wie sind sie zur Stasi gekommen, wie sah ihre Laufbahn aus, was war ihr persönlicher und beruflicher Hintergrund? Was haben sie getan, wenn sie für die Stasi arbeiteten? Hierzu bietet die neue Ausstellung eine Vielzahl an Hinweisen, Informationen und Einblicken. Gerade der Blick auf den einzelnen Mitarbeiter und seine individuelle Verantwortung für sein Handeln ist ein Schlüssel für die nächsten Generationen. Durch den Blick auf den Einzelnen wird es besser möglich, sich mit dem Leben in der Diktatur auseinanderzusetzen: Wie hätte ich gehandelt? Welchen Idealen schwöre ich meine Treue? Wie hätte ich mich bewegt zwischen den Polen Anpassung und Widerspruch? Das kann sich jeder fragen.

"Staatssicherheit in der SED-Diktatur": Die Ausstellung, die wir heute eröffnen, ist das Ergebnis einer außergewöhnlichen Kooperation. Der Verein ASTAK und die Stasi-Unterlagen-Behörde haben gemeinsam diese Ausstellung entwickelt und erarbeitet. Das heißt: Ein bürgerschaftlicher Verein, der sich seit über zwei Jahrzehnten in konsequentem bürgerschaftlichen Engagement um das sogenannte Haus 1 verdient macht, und eine große Bundesbehörde haben gemeinsam ein Projekt in Angriff genommen.

Eine ungewöhnliche Konstruktion, die den Beteiligten Offenheit für die Perspektiven des anderen abnötigte, die Sensibilität und Verständnisbereitschaft erforderte. Dass diese Zusammenarbeit, ungeachtet mancher Klippen, zu einem gemeinsamen produktiven Ergebnis geführt hat, war und ist nicht selbstverständlich. Unterschiedliche Sichtweisen auf Geschichte und wie man diese vermittelt, kam bei der Planung und Gestaltung der Ausstellung deutlich zum Vorschein. Ein Prozess der nicht immer einfach war. Aber er war wichtig und notwendig.

Die Auseinandersetzung mit Geschichte lebt von der Vielfalt der Perspektiven. Ein staatlich verordnetes Geschichtsbild verträgt sich nicht mit einer freiheitlichen Demokratie. Die Ausstellung "Staatssicherheit in der SED-Diktatur" ist eine Einladung zur Diskussion. Sie soll ein Beitrag zur Aufarbeitung des geschehenen Unrechts sein. Ein Betrag zur Würdigung der Opfer, in deren Leben die Stasi eingegriffen hat. Die Ausstellung lädt ein zum Dialog zwischen den Generationen. Weil sie die anspricht, die die DDR erlebt haben und auch die, die sie gar nicht kennen. Diese neue Ausstellung ist das Werk vieler und sie hat viele Unterstützer und Förderer.

Mein Dank gilt den Abgeordneten des Deutschen Bundestages, die uns die Möglichkeit gegeben haben, diese Ausstellung zu realisieren. Stellvertretend möchte ich mich bei Ihnen Siegmund Ehrmann als Vorsitzenden des Kulturausschuss bedanken. Wir schätzen Ihre konstruktive und wohlmeinende Begleitung unserer Arbeit.

Mein besonderer Dank gilt Frau Staatsministerin Monika Grütters und ihrem Vorgänger Bernd Neumann und nicht zu vergessen Frau Berggreen-Merkel. Ihnen, Frau Grütters, liegt es ganz besonders am Herzen, junge Menschen für Geschichte zu begeistern. Mit dieser Ausstellung möchten wir einen Beitrag dazu leisten.

Besondere Anerkennung möchte ich den Ausstellungsmachern zollen:

  • Jörg Drieselmann und seinem Team von der ASTAK.
  • Dr. Gabriele Camphausen und ihrem Ausstellungsteam des BStU. Den Mitarbeiter/innen der Abteilung Bildung und Forschung aber auch den vielen anderen Mitarbeiter/innen der Behörde, die alle mit ihrer Arbeit zu dem beigetragen haben, was wir gleich sehen werden.
  • Nicht zu vergessen unsere Gestaltungsagentur W-22, die mit Geduld und Kreativität die Herausforderungen dieser besonderen Kooperation gemeistert haben.
  • Mein Dank gilt dem Fachbeirat, der die Arbeit der Ausstellungsmacher mit viel Sachkunde und einer Menge guter Ideen begleitet hat. Ganz besonders möchte ich mich bei dem Koordinator der Ausstellung, Tom Sello von der Robert-Havemann Gesellschaft, bedanken. Was er geleistet hat, ist nicht in Worte zu fassen.

Meine Hoffnung ist, dass die Arbeit, die Sie alle in dieses Projekt gesteckt haben, langfristig wirkt. Ich hoffe, dass die Beschäftigung damit, wie ein Staat Menschenrechte unterdrückt hat, wie sie Angst und Repression im Alltag verankert hat, für viele Menschen heute wie ein Kompass wirkt. Ich hoffe, dass die Beschäftigung mit einem vergangenen Unrechtssystem die Sinne schärft, zu erkennen, wann und wie unserer Demokratie hier und heute Gefahren drohen. Und ich hoffe, dass diese Diskussion über Vergangenheit und Gegenwart fruchtbar und lebendig ist.