Im Systemkonflikt des Kalten Krieges spielte der 1955 im Ost-Berliner Ortsteil Friedrichsfelde gegründete Tierpark eine wichtige Rolle. Als sozialistisches Gegenstück zum West-Berliner Zoologischen Garten erfuhr er in seinen Anfangsjahren eine enorme Förderung. Gleichzeitig versuchte die politische Führung, den Tierpark für ihre Zwecke zu instrumentalisieren.

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Mehrere Flamingos in einem Freigehege des Tierparks Berlin-Friedrichsfelde

Spenden für den "Aufbau des Sozialismus"

Am 2. Juli 1955 öffnete der Tierpark auf dem Gelände des enteigneten Schlossparks Friedrichsfelde in Ost-Berlin seine Tore. Die Eröffnung war ein politisches Großereignis: Neben Direktor Heinrich Dathe nahmen der Präsident der DDR, Wilhelm Pieck, der Oberbürgermeister von Groß-Berlin, Friedrich Ebert, und weitere SED-Funktionäre teil.

Der Tierpark war in nur drei Monaten durch das Nationale Aufbauwerk (NAW) mit Unterstützung aus der Bevölkerung realisiert worden. Die SED-Propaganda feierte das Projekt als wichtigen Beitrag zum "Aufbau des Sozialismus".

Eine Menschenmenge, darunter der DDR-Präsident Wilhelm Pieck, der Oberbürgermeister von Groß-Berlin Friedrich Ebert und der Tierpark-Direktor Heinrich Dathe, steht vor einem Band. Pieck ist gerade dabei, das Band mit einer Schere zu durchschneiden.

„[D]ie Schaffung von Kultur- und Erholungsstätten in der Deutschen Demokratischen Republik tragen [sic!] gleichfalls zur Festigung und Stärkung unserer Arbeiter- und Bauernmacht bei.“

Leitung der Grundorganisation 6 der MfS-Verwaltung Groß-Berlin
BArch, MfS, BV Berlin, ZPL, Nr. 456, Bl. 8

Menschen räumen Trümmer im Tierpark Berlin-Friedrichsfelde weg.

Allerdings erschwerten die mangelnden finanziellen Mittel in den Anfangsjahren der DDR und die Zurückhaltung der SED diesbezüglich die Realisierung derartiger Großprojekte. Daher war der Tierpark auf Spenden angewiesen. Unterstützung erfuhr er hier unter anderem von der SED-Grundorganisation 6 der MfS-Verwaltung Groß-Berlin (ab 1977 Bezirksverwaltung Berlin).

Diese rief im Juli 1955 die anderen Grundorganisationen der Berliner Stasi-Verwaltung zu Spenden für den Tierpark auf. Ein entsprechendes Dokument ist in den Akten der Zentralen Parteileitung – der Leitung der SED-Parteiorganisation innerhalb der MfS-Bezirksverwaltungen – überliefert.

Dokument in der Stasi-Mediathek ansehen

"Sozialistischer Tierpark" vs. "kapitalistischer Zoo"

Die Entstehung des Tierparks war eng mit den politischen Entwicklungen der Nachkriegsjahre verknüpft: Der 1844 eröffnete und weltweit renommierte Berliner Zoologische Garten gehörte nach der Teilung zum Westteil der Stadt. Im Kontext des Kalten Krieges und der Systemkonkurrenz wollte die SED-Führung verhindern, dass die DDR auf diesem Gebiet ins Hintertreffen geriet. Mit dem Aufbau eines eigenen Tierparks erhoffte sie sich internationale Anerkennung der noch jungen DDR.

Außerdem wollte sie verhindern, dass die Ost-Berlinerinnen und -Berliner für einen Zoobesuch nach West-Berlin fuhren. Die Partei- und Staatsführung befürchtete Kontakte zum "Klassenfeind", die bis zum Mauerbau 1961 noch vergleichsweise leicht herzustellen waren. Da zudem der Volksaufstand vom 17. Juni 1953 erst zwei Jahre zurücklag, galt es, die Bevölkerung zufriedenzustellen.

Während sich der Zoo als Schaufenster der westlichen Welt präsentierte, versuchte der Tierpark, Besucherinnen und Besucher mit seinen großzügigen Naturanlagen anzulocken. Er sollte sich als sozialistische Freizeit- und Bildungseinrichtung etablieren, die als kulturelles Prestigeobjekt ihrem Standort im politischen Zentrum der DDR gerecht wurde. Der Wettstreit zwischen Tierpark und Zoo stand klar im Kontext des Kalten Krieges.

Planskizze des Tierparks Berlin-Friedrichsfelde mit Geländeplan und nummerierten Tiergehegen.

Instrumentalisierung eines Freizeitorts

Zahlreiche prominente Gäste aus Ost und West besuchten den Tierpark. Er sollte zu den Institutionen gehören, die "beim Besuch ausländischer Delegationen mit Vorrang zu besichtigen waren". Neben Staatschefs, Kosmonauten und Zoodirektoren standen sogar Vertreter sozialistischer Geheimdienste auf der Gästeliste. Das MfS begleitete viele der Besuche mit der Kamera.

Trotz der politischen Instrumentalisierung des Tierparks bemühte sich Dathe stets, ihn als politisch neutral zu präsentieren. So unterband er zum Beispiel SED-Propaganda auf dem Gelände. Sein hohes Ansehen als Tierpark-Direktor schützte Dathe – selbst nie SED-Mitglied – vor möglichen Konsequenzen.

Tierpark-Direktor Heinrich Dathe hält einen Kleinen Panda in die Höhe.
  1. Klassenkampf mit Brillenbär und Panda
  2. II. Pandas aus China, Brillenbären von der Stasi