Nach Rabes Festnahme legte das MfS einen Untersuchungsvorgang an. Die Haftzeit des Tierpflegers und die Ermittlungen der Geheimpolizei waren der Beginn einer jahrzehntelangen Zusammenarbeit.
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Tierpfleger hinter Gittern
Am 19. November 1959 verhafteten drei Stasi-Mitarbeiter Rabe in seiner Wohnung und brachten ihn in die MfS-Untersuchungshaftanstalt Pankow. Außerdem stellte die Geheimpolizei die Jacutin-Flasche sicher. Die Abteilung IX der Verwaltung Groß-Berlin legte einen Untersuchungsvorgang an. Sie holte sich Informationen zu Rabe bei seinen früheren Arbeitgebern ein und befragte ihn und seine Ehefrau. Außerdem nahm sie weitere Untersuchungen auf Spuren des Fallenmittels an Rabes persönlichen Gegenständen vor: seinem Mantel, seinem Personalausweis und einigen Tabletten. Die Technische Untersuchungsstelle (TU) des MfS stufte die Objekte jedoch alle als unverdächtig ein.
Obwohl dem MfS Rabes Schuld zunächst als erwiesen schien, stellte es schnell Ungereimtheiten fest, die es auf eigene "operative Fehler" zurückführte: Auch noch Wochen nach Rabes Festnahme und der Sicherstellung der Jacutin-Flasche verendeten Tiere im Tierpark mit Spuren des Fallenmittels in ihren Organen. Außerdem konnte die TU das zweite, am 13. November beigesetzte Mittel bei den Sektionen nicht nachweisen. Schließlich bezweifelte das MfS sogar die Glaubwürdigkeit der Füllstandsmessung, die Mitarbeiter der KDKreisdienststelle Die KD waren neben den Objektdienststellen die territorial zuständigen Diensteinheiten. Sie waren... Lichtenberg und der TU in Rabes Dienstzimmer vorgenommenen hatten.
Vom MfS untersuchte Gegenstände Rabes
Bericht über toxikologische Untersuchungen im Tierpark-Fall 1959
Im November 1959 legte die Stasi einen Untersuchungsvorgang gegen den festgenommen Tierpfleger Günther Rabe an. Im Zuge ihrer Ermittlungen stellte sie jedoch schnell Ungereimtheiten fest.
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Letztendlich fehlten der Staatssicherheit stichhaltige Beweise, um Rabe der Tiervergiftungen zu überführen und ihn weiter in Untersuchungshaft zu behalten. Doch damit ließ das MfSMinisterium für Staatssicherheit Das Ministerium für Staatssicherheit (umgangssprachlich oft kurz "Stasi") war politische... noch lange nicht von dem Tierpfleger ab. Denn die seit Anfang 1959 laufenden Ermittlungen zu den Vergiftungen deckten eine "Nebentätigkeit" Rabes auf, die das MfS für seine Zwecke zu nutzen wusste: den illegalen Tierhandel.
Mit Schlangen, Schildkröten und Affen über die Grenze
Außer Rabe wurden im OV "Kulan" auch die Ehefrau und die Schwiegermutter des Tierpflegers sowie zwei Tierhändler aus Westdeutschland registriert. Ab April 1959 bezog Rabe über Tierhändler in Westdeutschland und der ČSSR exotische Tiere, wie Schlangen, Schildkröten und sogar Affen. Diese nahm er in der West-Berliner Wohnung seiner Schwiegermutter in Empfang und verkaufte sie anschließend in der DDR am DIA vorbei auf dem Schwarzmarkt weiter.
Durch Aussagen von Rabes Kollegen, von denen einer den Tierpfleger im Auftrag von MfS und VP sogar bei seinen Tiergeschäften unterstützte, gelangten die Sicherheitsorgane an Informationen. Auch die bei Zimmer- und Wohnungsdurchsuchungen gefundenen Briefe von Tierhändlern lieferten reichlich Beweise für Rabes illegalen Tierhandel.
Justiz- und Staatssicherheitsorgane gaben die Verwicklung Rabes in den illegalen Tierhandel letztendlich sogar als offiziellen Grund für seine Festnahme an. Als unmittelbaren Anlass für die VerhaftungVerhaftung Beginn einer freiheitsentziehenden Maßnahme, Ergreifung eines Beschuldigten oder Angeklagten... nutzte die Stasi die Tatsache, dass sie in Rabes Wohnung vier Schildkröten aus Westdeutschland vorfand. Wie aus den MfS-Akten hervorgeht, waren tatsächlich aber die TU-Analysen und der Verdacht der Tiervergiftungen ausschlaggebend.
Vom Verdächtigen zum inoffiziellen Mitarbeiter
Am 24. Dezember entließ das MfS Rabe straffrei aus der Untersuchungshaft. Die Stasi-Unterlagen verraten den Grund für diese Entscheidung: Wegen Rabes guter Verbindungen innerhalb des Tierparks und seines Fachwissens strebte das MfS eine inoffizielle Zusammenarbeit mit dem Pfleger an. Für die Geheimpolizei war die Aufklärung der Tiervergiftungen wichtiger als Rabes Bestrafung für seinen illegalen Tierhandel. Daher veranlasste die Stasi die Generalstaatsanwaltschaft zur Einstellung des Gerichtsverfahrens, ohne sie über die wahren Hintergründe zu informieren.
Entlassungsbeschluss im Fall der Tiervergiftungen im Tierpark Berlin
Wie der Beschluss zur Entlassung Günther Rabes aus der Untersuchungshaft zeigt, ließ die Geheimpolizei auch danach nicht von dem Tierpfleger ab.
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Noch am Tag der Haftentlassung warb das MfS Rabe zunächst als Kontaktperson an. Im September 1960 verpflichtete sich der Tierpfleger offiziell als GIGeheimer Informator Von 1950 bis 1968 geltende Bezeichnung für die gewöhnlichen inoffiziellen Mitarbeiter, in den... "Rudi Waldvogel".
Gespräch mit Günther Rabe über eine zukünftige inoffizielle Zusammenarbeit
Ein im Stasi-Unterlagen-Archiv überlieferter Vermerk von 1959 zeigt, wie das MfS den Tierpfleger Günther Rabe für die inoffizielle Zusammenarbeit gewann.
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Verpflichtungserklärung Günther Rabes über eine inoffizielle Zusammenarbeit
In einer Verpflichtungserklärung erklärte sich Günther Rabe am 1. September 1960 dazu bereit, als GI "Rudi Waldvogel" mit der Stasi zusammenzuarbeiten.
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Anfangs setzte das MfS den Tierpfleger für weitere Ermittlungen im OV "Kulan" ein. Letztendlich konnte es jedoch keinen Verantwortlichen für die Tiervergiftungen ermitteln und legte den Vorgang im September 1962 ab. Rabe berichtete dem MfS aber weiter über seine Kolleginnen und Kollegen sowie Tierpark-Direktor Dathe.
Erst 21 Jahre später endete die inoffizielle Tätigkeit Rabes. Am 19. September 1981 stellte das MfS die Zusammenarbeit mit "Rudi Waldvogel" wegen dessen schwerer Krankheit ein.