Im Januar 1989 unterzeichnete die DDR auf Druck aus der Sowjetunion, aus Polen und Ungarn das Schlussprotokoll der Wiener KSZE-Konferenz. Das Land garantierte damit die Gewährung von Informations- und Reisefreiheit sowie die Zulassung von Bürgerrechtsgruppen. Diese wurden zunehmend aktiv.

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Das Bild zeigt Michail Gorbatschow und Erich Honecker im Gespräch.

DDR-Führung muss einlenken

Für die Spitze des Ministeriums für Staatssicherheit hatte das Jahr gar nicht schlecht begonnen: Ihr Herr und Meister, die SED-Führung, hatte im Dezember 1988 auf einem Plenum des Zentralkomitees bekräftigt, dass es in der DDR auf gar keinen Fall zu einer Übernahme der Reformpolitik Gorbatschows, von "Perestroika" und "Glasnost", kommen dürfe. Das bestätigte die Stasi-Oberen in ihrem Glauben, das sicherste Mittel dafür, dass alles so bleibt, wie es ist, sei Repression gegen Widerspruch aus der Gesellschaft.

Aber die DDR war keine isolierte Insel, sondern Teil des Ostblocks und wirtschaftlich zunehmend von der Bundesrepublik abhängig. Im Ostblock befand sich die Führungsmacht, die Sowjetunion, auf einem Kurs zur Öffnung nach dem Westen. Gerade in diesen Wochen waren die Verhandlungen bei der Konferenz zur Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) in eine entscheidende Phase getreten. In Wien, wo diese Verhandlungen statt fanden, hatte sich die sowjetische Vertretung, ebenso wie die ungarische und die polnische Delegation, darauf verständigt, den westlichen Forderungen nach stärkerer Beachtung der Menschenrechte entgegen zu kommen: Gewährung von Informations- und Reisefreiheit und die Zulassung von Bürgerrechtsgruppen. Die DDR-Führung hatte lange versucht, dem gegen zu steuern, musste schließlich aber einlenken und das Abschlussdokument ebenfalls unterzeichnen.

In Wien garantierte die DDR im Januar 1989 auf Druck aus der Sowjetunion, aus Polen und Ungarn die Gewährung von Informations- und Reisefreiheit sowie die Zulassung von Bürgerrechtsgruppen.

Zugeständnisse im KSZE-Protokoll

Der Stasi bereitete schon die Veröffentlichung dieses Dokuments in der DDR, gar noch im SED-Parteiorgan "Neues Deutschland", und ebenso die gemachten Zugeständnisse erhebliche Kopfschmerzen. Davon zeugt ein Schreiben Mielkes an die Leiter aller Diensteinheiten zur Veröffentlichung des KSZE-Dokuments vom 23. Januar 1989.

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Mielke will Verpflichtungen nicht erfüllen

Wie bitter die internationale Lage für Erich Mielke, den langjährigen Minister für Staatssicherheit, war, zeigt seine Rede vor dem "Kollegium" des Ministeriums. In diesem Gremium kam die Stasi-Generalität regelmäßig zur Beratung zusammen.

Mielke schilderte in der Rede einige der Motive, die die DDR-Führung dazu brachten, das Abschlussdokument trotz starker Bedenken zu unterzeichnen. Es waren Differenzen mit anderen sozialistischen Ländern und es war die Angst vor internationaler Isolation. Der Minister für Staatssicherheit machte zudem deutlich, dass die DDR nicht gewillt war, die eingegangenen Verpflichtungen auch zu erfüllen. Alles müsse "im Rahmen der nationalen Gesetzgebung verwirklicht" werden. "Helsinki-Gruppen", wie die Bürgerrechtsgruppen in dem Abschlussdokument genannt werden, würden in der DDR "entsprechend einer zentralen Entscheidung" (eine Umschreibung für eine Anweisung, die Erich Honecker selbst erteilt hatte) nicht zugelassen.

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Bürgerrechtsgruppen werden aktiv

Die Bürgerrechtsgruppen, die es auch damals schon in der DDR gab, wussten von diesen Auseinandersetzungen nichts. Aber sie rührten sich zunehmend, von der Stasi genau beobachtet. Die Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe (ZAIG), gewissermaßen das Gehirn des MfS, berichtete über Leipzig, die Stadt, die neun Monate später den Durchbruch für die friedliche Revolution bringen sollte.

In Leipzig gab es in der zweiten Hälfte der 80er Jahre einige hundert Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtler, die sich in knapp zwei Dutzend Gruppen zusammengefunden hatten. Sie waren vor allem im Umfeld und unter dem, freilich begrenzten, Schutz der evangelischen Kirche tätig. Eine dieser Gruppen rief mit Flugblättern für den 15. Januar, den Jahrestag der Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, zu einem Schweigemarsch auf. Zwei Personen, die die Flugblätter verteilten, wurden auf frischer Tat ertappt und "zugeführt". Danach kam es zu weiteren Verhaftungen. Am 15. Januar selbst kamen zu dem Schweigemarsch nach Stasi-Angaben knapp 200 Personen, von denen 53 festgenommen, aber noch am gleichen Tag wieder freigelassen wurden.

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"Schriftlich-negative Äußerungen"

Für die Bekämpfung der Opposition war im Ministerium für Staatssicherheit vor allem die Hauptabteilung XX (HA XX) zuständig. Sie erarbeitete zur gleichen Zeit eine DDR-weite Übersicht über den "Anfall von Delikten schriftlich-negativer Äußerungen im Monat Januar 1989".

„Erich währt am längsten.“

Anonymer Schreiber

Für den Januar 1989 wurden neben den Aktionen in Leipzig zum Gedenktag an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht vor allem kleinere Aktivitäten vermerkt, die meist Ausdruck eines spontanen, isoliert bleibenden Protestverhaltens waren.

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  1. Die Stasi im Jahr 1989
  2. Februar 1989