Weiter heißt es: "Die Arbeiter werden von dieser Möglichkeit wieder Gebrauch machen, wenn die Organe des Staates der SED nicht unverzüglich folgende Maßnahmen einleiten: Auszahlung der Löhne nach den alten Normen, schon bei der Lohnzahlung, sofortige Senkung der Lebenshaltungskosten, freie und geheime Wahlen, keine Maßregelung der Streikenden und ihrer Sprecher."
Anschließend kommentierte der RIAS-Programmdirektor, Eberhard Schütz. Obwohl er sichtlich bemüht war, die Stimmung nicht weiter aufzuheizen, wirkte auch sein Kommentar mobilisierend für den nächsten Tag. Es hieß bei ihm unter anderem: "Macht Euch die Ungewissheit, die Unsicherheit der Funktionäre zunutze. Verlangt das Mögliche – wer von uns in West-Berlin wäre bereit, heute zu sagen, dass das, was vor acht Tagen noch unmöglich schien, heute nicht möglich schien."
Strikt vermied der RIAS, das Wort "Generalstreik" zu wiederholen. Der zuständige amerikanische Offizier hatte das am Nachmittag verboten. Ab 23:00 Uhr berichtete der RIAS in seinen Nachrichten, dass am nächsten Morgen um 7:00 Uhr alle Ost-Berliner aufgerufen seien, sich am Strausberger Platz zu einer Demonstration zu versammeln. Unterdessen dachte die Redaktion fieberhaft darüber nach, wie der RIAS doch noch politisch reagieren könnte. Die Lösung kam in Person des Westberliner DGB-Vorsitzenden Ernst Scharnowski. In einem Kommentarbeitrag würde er deutlichere Worte finden können als der RIAS in seinen Nachrichtensendungen. Scharnowski formulierte einen Aufruf, der schließlich am 17. Juni kurz nach 5:30 Uhr erstmals ausgestrahlt wurde:
"Als dienstältester demokratischer Gewerkschaftler und Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes östlich der Elbe kann ich Euch in der Ostzone und Ost-Berlin keine Anweisungen erteilen. Ich kann Euch nur aus ehrlichster Verbundenheit Ratschläge geben." Sein dann am Schluss des Kommentars erteilter Ratschlag hat wohl durchaus Wirkung entfaltet: "Tretet darum der Bewegung der Ost-Berliner Bauarbeiter, BVGer und Eisenbahner bei und sucht Eure Strausberger Plätze überall auf. Je größer die Beteiligung ist, desto machtvoller und disziplinierter wird die Bewegung für Euch mit gutem Erfolg verlaufen."
Die Sendungen des RIAS wirkten mobilisierend auf die Berliner, aber vor allem auf die Menschen in den Bezirken der DDR. Denn nur durch den RIAS und durch westdeutsche Rundfunksender erfuhren sie von den Ereignissen in Berlin. Als am Morgen des 17. Juni die Arbeiter an ihre Arbeitsplätze kamen, beherrschten die vom RIAS verbreiteten Nachrichten die Gespräche. Die Ereignisse in Berlin lösten so die Volksbewegung im gesamten Land aus. Überall merkten die Menschen, dass sie nicht allein standen und orientierten sich am Berliner Beispiel.