Dorfhonoratioren verfassen Resolution an die Regierung
Am nächsten Tag erhielten alle Einwohnerinnen und Einwohner eine Einladung zur Mitgliederversammlung der VdgB in die Dorfschänke. Der Tagesordnung konnten die Eingeladenen entnehmen, dass Probleme der Düngemittelbeschaffung, der Bindegarnverteilung, der Herbsternte und des "Ernteeinbringungsplans" debattiert werden sollten. Unter dem fünften Punkt hieß es etwas unverständlich: "Beschließfassung der Entschließung". Noch am Abend des 12. Juni versammelten sich neun Dorfhonoratioren im Haus von Mitzenheim. Sie besprachen einen vom Pfarrer vorgelegten Resolutionsentwurf, der auf der Einwohnerversammlung zur Abstimmung vorgelegt werden sollte.
Doch ehe es so weit war, erhielten die Dorfbewohner am 13. Juni eine freudige Nachricht. Sie erfuhren, dass vier Bauern ihrer Gemeinde aus der Untersuchungshaftanstalt Apolda freigelassen worden waren und nach Hause zurückkehrten. Mitzenheim organisierte, dass ein Großteil der Bürger die vier Bauern am Ortseingang begrüßte. An der Einwohnerversammlung am Abend nahmen 250 bis 300 Personen teil. Das war mehr als die Hälfte aller Einwohner. Nachdem die ersten vier Punkte der Tagesordnung zügig abgearbeitet worden waren, übergab der VdgB-Vorsitzende das Wort an Edgar Mitzenheim.
Der Pfarrer trug nun die Resolution vor. In ihr stand detailliert und präzise, was die Dorfbevölkerung seit langem belastete, was sie kritisierte und wogegen sie sich kaum zu wehren vermochte. Das Verlesen dieser Resolution begleitete das Publikum mit Beifall und Bravorufen. Wenn es um Genossen der SED und um die Regierung ging, wurden Schmährufe laut. Zur Diskussion wollte danach niemand sprechen. Das Abstimmungsergebnis zeigte warum: Bis auf wenige Stimmenthaltungen nahmen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer das Dokument einhellig an.
Zwei Tage später, am 15. Juni, fuhren Pfarrer Mitzenheim und zwei weitere Vertreter des Dorfes nach Berlin. Beauftragt hatte sie dazu die Einwohnerversammlung. Zunächst gingen sie ins DDR-Landwirtschaftsministerium, um dem Minister ihre Resolution zu übergeben. Danach fuhren sie weiter nach West-Berlin ins Flüchtlingslager. Sie durften zwar nicht in das Flüchtlingslager hinein, aber man schickte zwei Familien aus Eckolstädt zu ihnen. Mitzenheim unterrichte diese von der Resolution und von der Entwicklung in der DDR. Er forderte sie auf, recht bald nach Eckolstädt zurückzukehren. Die West-Berliner Polizei vermutete, dass Mitzenheim und seine Gefährten SED-Propaganda betrieben. Deshalb nahm sie die drei Abgesandten für zwei Stunden fest. Das Missverständnis war aber schnell aufgeklärt. Am frühen Morgen des 17. Juni trafen die drei Männer wieder in Eckolstädt ein.