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Blick auf eine Menschenschlange vor dem Tränenpalast am Bahnhof Friedrichstraße.

Die Festung - Bahnhof Friedrichstraße

Der Berliner Bahnhof Friedrichstraße war das Nadelöhr für Zugreisende aus dem Westen in den Osten – und stand unter totaler Kontrolle. Der S-, U- und Fernbahnhof Berlin-Friedrichstraße lag bis zum Fall der Mauer 1989 im Ostteil der Stadt. Zwar verlief die Mauer als Grenzbefestigung gegen West-Berlin überirdisch rund 1500 Meter entfernt. Dennoch zählte der Bahnhof zu den wichtigsten Grenzübergangsstellen zwischen beiden Hälften der Stadt.

Im Bahnhof Friedrichstraße endeten die S-Bahn-Züge aus dem Ostteil der Stadt. Zugleich fuhren von hier aus auch S-Bahnen nach West-Berlin, im unterirdischen Bereich verkehrten S- und U-Bahnlinien und auf dem Fernbahnsteig fuhren Schnellzüge in die Bundesrepublik ab.

Unmittelbar nach dem Mauerbau wurde damit begonnen, den Bahnhof zu einer hermetisch abgesicherten Festung umzugestalten. Das Schienennetz der S-Bahn wurde am Bahnhof gekappt. Damit wurde verhindert, dass S-Bahn-Züge aus dem Osten in den Westteil weiterfahren konnten.

Aber auch Prellböcke, automatische Stromunterbrechungen, Zäune, Gitter, Wachtürme und nicht zuletzt bewaffnete Grenzer und Mitarbeiter der Staatssicherheit sorgten dafür, dass es am Bahnhof Friedrichstraße nur relativ selten zu Fluchtversuchen kam. Sichtblenden sorgten dafür, dass der "Ostbahnsteig" von den beiden "Westbahnsteigen" nicht einsehbar war.

Menschen auf dem Bahnsteig. Am rechten Bildrand ist eine S-Bahn zu sehen.
MfS-Skizze der Grenzübergangsstelle (Güst) Friedrichstraße

1962 wurde für den regen Grenzverkehr am Bahnhof Friedrichstraße ein eigens errichtetes Abfertigungsgebäude eröffnet. Im Volksmund setzte sich für diese Halle schnell die Bezeichnung "Tränenpalast" durch: Weil sich hier tagtäglich herzzerreißende Abschiede abspielten und ungezählte Tränen flossen.

Täglich konnten in den 70er und 80er Jahren über den Bahnhof bis zu 30.000 Menschen ein- und bis zu 20.000 ausreisen. Millionen haben diesen Bahnhof bis 1989 als Grenzübergangsstelle benutzt. Die Bereiche, in denen Berlinerinnen und Berliner aus dem Westteil der Stadt die S- und U-Bahn benutzen konnten waren strikt von jenen getrennt, die von Ost-Berlin aus betreten werden durften. Daher wirkte der Bahnhof auf Besucherinnen und Besucher wie ein unübersichtlicher Irrgarten.

 

Wer von der einen Stadthälfte in die andere fahren durfte, musste hier unter- und oberirdisch ein Labyrinth von Gängen absolvieren, mehrere Kontrollen von unfreundlichen Grenz-, Zoll- und Staatssicherheits-Mitarbeitern erdulden und durch klinkenlose Türen hindurchgehen, die sich nur auf Knopfdruck öffneten.

Über 140 installierte Videokameras sorgten dafür, dass es keinen öffentlichen Bahnhofsbereich gab, der nicht von einem der Dutzend Bildschirme überwacht wurde. In den 80er Jahren waren tagtäglich mehrere Hundert DDR-Sicherheitsmitarbeiter mit der Absicherung allein dieses Bahnhofs beschäftigt. Die Staatssicherheit nutzte diesen Bahnhof auch, um Personen und Gepäck illegal von einer Stadthälfte in die andere zu schleusen.

Mehrere Personen vor den Kontrollkabinen im "Tränenpalast"

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Thema

"Agentenschleuse" und "Gespensteröffnung"

Der Bahnhof Friedrichstraße war die wichtigste Grenzübergangstelle in Berlin zwischen 1961 und 1990. Sie hatte für die Stasi eine zentrale Bedeutung. Es galt, Fluchtversuche zu verhindern, eigene Agenten in den Westen und zurück zu schleusen und "feindliche Kräfte" am Eintritt in die DDR zu hindern. Fotografieren war an diesem gesicherten Bahnhof nicht erlaubt – nur die Stasi dokumentierte den Ort mit ihren Kameras.

MfS-Schulungsfilm "Grenzpassagen"

Der Schulungsfilm der Hauptabteilung VI liefert einen umfassenden Eindruck vom Wirken der Stasi an den Grenzen der DDR, u.a. bei Grenzkontrollen in der Friedrichstraße. Hier war sie für Passkontrollen und die Sicherung des Transit- und Reiseverkehrs zuständig.

Video in der Stasi-Mediathek ansehen