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Die Gaststätte "Kö" am Hauptbahnhof Aachen. Im Vordergrund ist ein gepflasterter Platz zu sehen.

Die Stasi in Nordrhein-Westfalen: Aachen

In Aachen hat die Stasi u.a. den Hauptbahnhof observiert und nutzte dabei Mitarbeiter des DDR-Zugpersonals als inoffizielle Mitarbeiter (IM) oder Informationsquellen. Sie hatte auch Journalisten der "Aachener Zeitung" bei deren Aufenthalt in der DDR im Visier und war an verschiedenen Forschungsinhalten der RWTH Aachen interessiert. Hier nutzte sie einen akademischen Austausch zur Technikspionage.

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Der Aachener Hauptbahnhof

Viele Beschäftigte des DDR-Gastronomie- und Hotelbetriebs Mitropa (Mitteleuropäische Schlaf- und Speisewagen Aktiengesellschaft) waren als sogenannte Reisekader wichtige Informanten für die Stasi. Das heißt, sie durften in den Westen reisen und wurden dabei oft auch als Inoffizielle Mitarbeiter genutzt. Sie fertigten u.a. Berichte über Reisende und deren Gespräche an. Ihre Kontakte mit Bundesbürgern betrachtete die Stasi zugleich kritisch, da sie befürchtete, Mitropa-Mitarbeiter könnten bei ihren Reisen in den Westen fliehen. Daher standen die Beschäftigten oft selbst unter Beobachtung oder wurden bespitzelt. Zuständig für die Kontrolle und Überwachung des DDR-Bahnpersonals, der Reisenden und der Bahnhöfe war die Stasi-Hauptabteilung XIX (Verkehr, Post, Nachrichtenwesen).

Ein Mitropa-Mitarbeiter war in den 60er/70er Jahren als IMS (Inoffizieller Mitarbeiter zur Sicherung und Durchdringung eines Verantwortungsbereichs) mit dem Decknamen "Ernst Wilke" für die Stasi aktiv. Am 29.4.1970 berichtete er von "Unregelmäßigkeiten" in einem nicht näher bezeichneten Hotel in Aachen, das als Mitropa-Nachtquartier diente. Der Wirt, laut IM-Bericht ein pensionierter Bundesbahnbeamter, soll vom Mitropa-Personal gekaufte Waren, die die Mitarbeiter selber nicht mitnehmen durften, per Post in die DDR verschickt haben. Später wurde die Mitropa-Beschäftigten nicht mehr in diesem Hotel untergebracht.

Am 17. Dezember 1979 berichtete "Otto Hirsch", ein IMV (Inoffizieller Mitarbeiter mit vertraulichen Beziehungen zur bearbeiteten Person), ausführlich über seine Beobachtungen in der Gaststätte "Kö" am Aachener Hauptbahnhof. Er fügte seinem Bericht Fotos bei.

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In seinem Vermerk "Mitropa-Quartier 'Hotel Hesse' in Aachen" vom 1. August 1978 notierte Leutnant Brüning, Stasi-Hauptabteilung XIX, welche Angaben Stasi-Spitzel "Benno" über das Aachener "Hotel Hesse" und seine Inhaber machte. Vermerkt wurden auch zu "ergreifende Maßnahmen", darunter ein weiterer Auftrag an die Hauptabteilung XVIII (zuständig für Schutz und Sicherung der DDR-Volkswirtschaft).

Technikspionage an der RWTH Aachen

Universitäten und Technische Hochschulen in der damaligen Bundesrepublik waren für die Stasi von großem Interesse. Vorrangig ging es ihr dabei um Wirtschafts- und Technikspionage. 1985 warb die Stasi einen Erfurter Diplom-Ingenieur als Inoffiziellen Mitarbeiter "Peter Lux" an. Sein Auftrag: Er sollte im Westen unter falschem Namen Verbindungen zu Wissenschaftlern aus seinem Forschungsbereich, der Pneumatik, aufnehmen. "Peter Lux" gelang es schnell, Kontakte an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH) zu knüpfen und in führende Forscherkreise vorzudringen. Zwischen 1985 und 1987 lieferte er der Stasi eine Fülle an Informationen. In jener Zeit war er pro Monat jeweils für eine Woche in Aachen.

Am 19. April 1985 erklärte sich der Erfurter Diplom-Ingenieur bereit, unter dem Decknamen "Peter Lux" als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) für die Stasi zu arbeiten und verfasste eine Verpflichtungserklärung. Zugeordnet war er der Stasi-Abteilung XVIII der Bezirksverwaltung (BV) Erfurt. Diese Abteilung war zuständig für die Überwachung der DDR-Volkswirtschaft und der naturwissenschaftlichen Forschung.

Bis Februar 1986 gelang es dem IM, seine Kontakte zur RWTH Aachen so auszubauen, dass er ins Institut für Hydraulik eingeladen wurde. Die Aachener Mitarbeiter führten den Spitzel durch ihre Versuchshalle und den Computerraum. Abschließend lud ihn ein Professor zu einem Fach-Kolloquium nach Aachen ein. (Dokument: Bericht des IMB "Peter Lux" über eine Dienstreise nach Essen und Aachen)

Der Abschlussbericht der Stasi über "Peter Lux" vom 27. Januar 1987 fasste die Erfolge zusammen: Er verschaffte der Stasi Zugriff auf betriebsinterne Software-Pakete der RWTH Aachen und Insiderwissen. Auf diese Weise holte die DDR-Volkswirtschaft – so die Angaben der Stasi – vier Jahre Forschung auf und sparte über 1 Million DDR-Mark ein. Für seine Spitzeldienste erhielt "Peter Lux" die Verdienstmedaille der Nationalen Volksarmee (NVA) in Silber.

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Die Stasi beobachtete Aachener Journalisten

Im März 1988 reiste eine Delegation der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen nach Dresden. Dort sollte unter anderem ein Kooperationsprojekt mit der dortigen Universität unterzeichnet werden. Derartige offizielle West-Kontakte standen besonders im Visier der Staatssicherheit. Zur Besuchergruppe aus Aachen gehörten auch Journalisten.

Die Bezirksverwaltung Dresden des MfS war mit der Beobachtung der Besuchergruppe beauftragt und schrieb einen ausführlichen  Bericht über die Beobachtung einer Delegation der RWTH Aachen beim Besuch in Dresden mit Fotos. Eines der Bilder zeigte Personen beim Betreten des Rektorats der TU Dresden. Notiert wurden auch Namen, Autos und Kennzeichen. Es gab ebenfalls Fotos von zwei Journalisten aus Aachen, die die Gruppe begleiteten. Sie wohnten im Hotel "Bellevue".

Wenige Wochen nach dem westdeutschen Besuch in Dresden verfasste die Stasi einen Zusatzbericht über das Medienecho. Weil das MfS routinemäßig Post aus dem Westen kontrollierte, war es in den Besitz von Zeitungsartikeln aus Aachen gelangt. Sie waren von einem Professor der RWTH an einen Dresdner Kollegen geschickt worden, als eine Freundschaftsgeste. Die Stasi beschrieb und bewertete nun, wie die Journalisten berichtet hatten. Erwähnenswert erschien, dass in einem der Berichte auf die Anwesenheit "zahlreicher SED-Funktionäre" hingewiesen wurde und darauf, dass der Aachener Rektor frei sprach, während der Dresdner Rektor eine Rede verlas. Kritisch angemerkt wurde, dass der Journalist schrieb, dass "die mit Kassettenlaufwerken ausgestatteten Modelle des Kombinates Robotron geradezu prähistorisch" erschienen und das "Gros der an der Elbe gezeigten Rechner in Aachen höchstens im Computermuseum Platz finden" würden. Die Stasi empfahl abschließend, den Journalisten bei weiteren Einreisen "nicht wieder zur Berichterstattung über die TU Dresden" zuzulassen.

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