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Foto vom Grenzverlauf in Berlin. Im Hintergrund ragt das Axel-Springer-Hochhaus empor.

Gefängnis statt Rolling Stones

Im Herbst 1969 geisterte ein Gerücht durch die DDR: Die Rolling Stones sollten am 7. Oktober ein Konzert auf dem Dach des Axel-Springer-Hochhauses spielen – in unmittelbarer Nähe zur Staatsgrenze der DDR. Das Ganze war tatsächlich nur ein Gerücht, doch Partei und Stasi wollten nicht tatenlos zusehen, wie sich die DDR-Jugend ausgerechnet zum 20. Jahrestag der Staatsgründung westlicher Rockmusik zuwendete.

Im September 1969 gab der auch im Osten bekannte Moderator Kai Blömer in der RIAS-II-Sendung "Treffpunkt" zum Besten, die Rolling Stones würden am 7. Oktober 1969 ein Konzert auf dem Springer-Hochhaus geben. Es war nur ein Scherz, dies stellte er noch in derselben Sendung klar. Doch das Gerücht war da bereits in der Welt.

Weit mehr als SED und das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) zu Beginn, nahmen vor allem viele junge Menschen in der ganzen DDR das Gerücht ernst. Selbstgefertigte Flugblätter mit dem Hinweis auf das Konzert tauchten auf. So bekam auch die Stasi Wind von der Geschichte und wurde hellhörig. Schließlich wollte die SED-Führung an diesem Tag ihr 20-jähriges Bestehen pompös und ungestört feiern. Junge Beatfans, die im Zentrum Ost-Berlins unmittelbar an der Mauer ein Stones-Konzert erleben wollten, waren da unerwünscht.

Schwarz-Weiß-Aufnahme von Mick Jagger bei einem Konzert
Schwarzweiß Aufnahme von der Fahrbahn mit der Aufschrift: "Rolling Stones Fans fahrt nach Ber"

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Der Führungsriege in der SED und im MfS waren die Jugendbewegungen dieser Zeit ohnehin suspekt – eine Ausgeburt des westlichen, vornehmlich US-amerikanischen, Kulturimperialismus. Frisuren, Kleidung, Tänze, Musik – nichts entsprach dem "guten sozialistischen Geschmack". Die Stones galten als Sinnbild der Beat-Bewegung schlechthin. Die tiefe Abneigung gegenüber den Rockmusikern traf sich mit der tief sitzenden Furcht, bei einem solchen Konzert mit tausenden Fans könnte es schnell zu einem Sturm auf die Mauer kommen. SED und MfS sahen ihr System und ihren Staat existenziell bedroht.

Aus diesem Grund verhinderte die Geheimpolizei bereits im Vorfeld im Rahmen der Aktion "Stafette" beabsichtigte Reisen von "negativen Jugendlichen" nach Berlin. Neben der "Rückführung in Heimatorte" wurden Aufenthaltsbeschränkungen und Berlin-Verbote erteilt sowie sogenannte "Aussprachen" mit den jungen Stones-Fans geführt.

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Die Zugänge zur Leipziger Straße wurden durch Volkspolizei, Staatssicherheit und FDJ-Ordnungsgruppen hermetisch abgeriegelt. Trotzdem hatten sich dort am Nachmittag des angekündigten Konzerts etwa 2.000 Jugendliche versammelt, die ihre Idole sehen wollten. Zum Konzert kam es nicht. Aber das Großaufgebot von Polizei und Staatssicherheit versuchte, jede Menschenansammlung und die befürchteten Grenzdurchbrüche zu verhindern. Hunderte junger Rockfans, die sich in Erwartung des Konzertes auf der Ostseite des Springer-Hochhauses versammelten, wurden verhaftet.

Publikation

Gefängnis statt Rolling Stones

Ein Gerücht, die Stasi und die Folgen

Hunderte junger Rockfans wurden am 7. Oktober 1969 in Ost-Berlin verhaftet. Sie hatten sich auf der Ostseite des Springer-Hochhauses versammelt, in Erwartung eines Konzertes. Seit Wochen geisterte das Gerücht umher: Die Rolling Stones geben auf dem Springer-Dach ein Konzert.