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Wolfgang Schäuble besucht die ehemalige Stasi-Zentrale
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Bundestagspräsident Schäuble zu Gast im Stasi-Unterlagen-Archiv

Am 30. Jahrestag der Besetzung des Stasi-Archivs am 4. September 1990 hat Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble die Stasi-Zentrale. Campus für Demokratie in Berlin-Lichtenberg besucht. Der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen Roland Jahn erläuterte ihm Stationen der Open-Air-Ausstellung Revolution und Mauerfall im Innenhof des Geländes. Der Besuch setzte sich in der Ausstellung Einblick ins Geheime und im Stasi-Unterlagen-Archiv fort, wo Schäuble Einblicke in die Arbeit gewinnen konnte.

Am 4. September 1990 hatte eine Gruppe von Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtler das Stasi-Archiv besetzt, da die von der DDR-Volkskammer beschlossene Öffnung der Stasi-Akten im am 31. August unterschriebenen Einigungsvertrag nur sehr unverbindlich aufgeführt war. Die Aktion machte die Wichtigkeit des Aktenzugangs für die Menschen der DDR für alle politisch Handelnden deutlich und führte dazu, dass ein Ergänzungsartikel zum Einigungsvertrag verabschiedet wurde, der die Öffnug der Akten im vereinten Deutschland deutlicher bestimmte. Am Tag der Deutschen Einheit begann dann der Sonderbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes seine Arbeit.

Frank Ebert, damals Besetzer, heute Mitarbeiter der Robert-Havemann-Gesellschaft (RHG), die in der Stasi-Zentrale. Campus für Demokratie ihren Sitz hat, ergänzte als Zeitzeuge die Erinnerung an die Besetzung.

„Wir wollen gar nicht drumrumreden: Wir hatten die Stasi-Akten nicht im Einigungsvertrag. Wir haben uns in Bonn gedacht, dass wir ohnehin schon viele Probleme haben. Die Stasi-Unterlagen sind dann dazu genommen worden, das war aus heutiger Sicht richtig.“

Wolfgang Schäuble
Präsident des Deutschen Bundestags

In der Ausstellung Einblick ins Geheime des Stasi-Unterlagen-Archivs ging es um das Thema der ersten Akteneinsicht. In einem Karteisaal des Archivs erläuterte Jahn dem Bundestagspräsidenten die heutige Arbeit im Archiv, in dem unter anderem mit Hilfe von Karteikarten der Postkontrolle des Ministeriums für Staatssicherheit für Bürgeranträge recherchiert wird. Außerdem ging es um ein Digitalisierungsprojekt der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen, für das aktuell beim BStU gearbeitet wird. Hier gehe es um die erste große Datenbank der politischen Verfolgung der DDR, sagte Jahn. Abschließend besuchte der Gast einen Magazinraum im Archiv, in dem Akten Inoffizieller Mitarbeiter aufbewahrt werden. Auch mithilfe von Beispielakten vertieften Schäuble und Jahn das Thema.

Wolfgang Schäuble sagte: "Ich habe einen tollen Eindruck von der Bedeutung der Arbeit des Stasi-Unterlagen-Archivs erhalten. Das ist das eigentlich Wichtige, dass wir heute, nach 30 Jahren sehen, wie wichtig und richtig es war, dass diejenigen, die in der DDR die Friedliche Revolution geschafft haben, dafür gesorgt haben, dass dies alles nicht verloren geht. Damit wir nicht nur die Vergangenheit aufklären können, sondern für die Gegenwart und die Zukunft lernen können. Wir sehen, dass in der modernen Zeit mit neuen Informationstechniken heute die Gefahr der totalen Kontrolle der Menschen mindestens so groß wie in den Zeiten einer 'bürokratisch perfekten' Stasi-Überwachung."

„Es ist gut, dass das Bundeskabinett in dieser Woche beschlossen hat, das Stasi-Unterlagen-Archiv auf Dauer als Teil des Gedächtnisses der Nation zu sichern und gleichzeitig einen Beauftragten für die Opfer der SED-Diktatur einzurichten und der Bundestag im 30. Jahr der Deutschen Einheit darüber entscheiden kann. “

Roland Jahn
Bundesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik

Veranstaltung:" Die Akten gehören uns!"

Mit Führungen, Filmen und Zeitzeugengespächen unter freiem Himmel setzte sich die Erinnerung an die Besetzung vor 30 Jahre am Abend fort. Dokumentaraufnahmen und Fernsehbeiträge ließen die Situation vor 30 Jahren lebendig werden. Die Stasi war zwar aufgelöst, doch der zukünftige Umgang mit ihren Unterlagen war nur lose in das Vertragswerk zur deutschen Einheit übernommen worden. Zeitzeugen erinnerten an die vielschichtigen Diskussionen zwischen Ost und West über die Wichtigkeit des Aktenzugangs

Einer der beteiligten Besetzer, Michael Heinisch-Kirch, sagte: "Das, was die westdeutsche Politik wollte, ging für uns gar nicht. Für uns war klar: Die Akten gehören uns". Mitbesetzer Frank Ebert, heute bei der Robert Havemann Gesellschaft, erklärte, wie stark das Misstrauen gegenüber Volkskammer und Bundestag sowie der Polizei war.

Die damalige DDR-Volkskammerpräsidentin Sabine Bergmann-Pohl, die vor 30 Jahren die Besetzer u.a. mit einem Besuch in der Stasi-Zentrale publizitätsträchtig unterstützte, sagte: "Diese Menschen hatten ein berechtigtes Anliegen. Wir hatten das ja auch in der Volkskammer schon mit dem Gesetz vom 24. August als Wille der Ostdeutschen verankert." Tom Sello, heute Berliner Beauftragter zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, war 1990 als Besetzer von den Sicherheitskräften aus dem Gebäude entfernt worden und hat dann für die Öffentlichkeitsarbeit gesorgt. Er betonte die Wichtigkeit der Besetzung für die Entscheidungsfindung. "Wir mussten das Thema in den letzten Wochen vor Vollzug der Einheit im ganzen Land bekannt machen. Das war für uns etwas sehr zentrales."

Der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen Roland Jahn war 1990 als TV-Journalist des Sender Freies Berlin unterwegs. Am 11. September 1990 strahlte die ARD einen von ihm mitrecherchierten Film aus, mit dem erstmals bekannt wurde, dass Stasi-Mitarbeiter weiterhin verdeckt im öffentlichen Dienst arbeiteten. Jahn erklärte, dass es enorm wichtig gewesen sei, dass die Menschen so energisch für die Sicherung und Öffnung der Akten gekämpft haben. "Es sollte Klarheit über die Vergangenheit geben, über den Eingriff der Stasi in das Leben der Menschen, es sollte das Geheime auf den Tisch und das geschehene Unrecht benannt werden. Und es sollte auch Vertrauen in den öffentlichen Dienst der Demokratie im vereinten Deutschland geschaffen werden."

Weitere Informationen finden Sie unter Chronik - Der Weg zum Aktenzugang