Synonym:
Überwachung der Gesellschaft
Die DDR-Staatssicherheit entwickelte sich von einer klassischen politischen Geheimpolizei sowjetischen Typs etappenweise zu einem allgemeinen Überwachungs- und Kontrollorgan, das neben seinen herkömmlichen repressiven Aufgaben umfassende Stabilisierungs- und Steuerungsfunktionen ausbildete. In der Terminologie des MfS gesprochen, ging es nicht nur um die "Gewährleistung der staatlichen Sicherheit", sondern auch um den "Schutz der gesellschaftlichen Entwicklung" im Sinne der politischen Vorgaben der SED.
Die Tendenz zur Sicherheitsprophylaxe verstärkte sich weiter in den 70er Jahren, als die internationale Entspannung und die deutsch-deutsche Vertragspolitik die Bedingungen für Ost-West-Kontakte aller Art erleichterte: Unter anderem versechsfachten sich von 1971 bis 1976 die Reisen von Westdeutschen und Westberlinern in die DDR. Auf die Intensivierung der innerdeutschen Kontakte reagierte das MfS mit einem Ausbau der Überwachungsstrukturen. Die Begriffe gegnerische KontaktpolitikKontaktpolitik
Von der Bundesrepublik und anderen westlichen Staaten im Zuge der Entspannungspolitik verfolgte...
und KontakttätigkeitKontakttätigkeit
Auf der vermeintlichen Kontaktpolitik westlicher Staaten basierende Ost-West-Kontakte, denen vom...
bekamen eine zentrale Bedeutung in der Terminologie und in der operativen Tätigkeit des MfS.
Die massive Ausweitung der überwachungsstaatlichen Präsenz und damit auch der überwachungsstaatlichen Durchdringung der DDR-Gesellschaft hing somit nicht nur mit den großen politischen Krisen des Kommunismus – 17. Juni 1953, Ungarnaufstand 1956, Prager Frühling 1968 oder Solidarność seit Beginn der 80er Jahre in Polen – zusammen, sondern war auch eine Folge der Entspannungspolitik. Vor allem durch die explodierende Zahl von Ausreiseanträgen in der Folge des KSZE-Prozesses erschien die Stabilität des SED-Regimes bedroht.
Unter den Bedingungen der Entspannungspolitik verzichtete das MfS mit Rücksicht auf die internationale Reputation zunehmend auf offen repressive Maßnahmen und ersetzte diese durch vorbeugende und verdeckt-manipulative Vorgehensweisen, die erheblich größere personelle Ressourcen erforderten.
Eine derartige Datenflut konnte nur durch einen massiven Ausbau des Auswertungs- und InformationssystemsAuswertungs- und Informationssystem
Das Auswertungs- und Informationssystem war im MfS ein zentraler Funktionsbereich, der die...
sowie den Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung, insbesondere der Zentralen PersonendatenbankZentrale Personendatenbank
Die ZPDB war das wichtigste zentrale Datenbankprojekt des MfS. Es handelte sich um einen zentralen...
bewältigt werden
Literatur
- Engelmann, Roger: Geheimpolizeiliche Lehren aus der Krise? Staatssicherheit 1953 und 1961. In: Diedrich, Torsten; Kowalczuk, Ilko-Sascha (Hg.): Staatsgründung auf Raten. Die Auswirkungen des Volksaufstandes 1953 und des Mauerbaus 1961 auf Staat, Militär und Gesellschaft der DDR. Berlin 2005, S. 139–151.
- Gieseke, Jens: Die Einheit von Wirtschafts-, Sozial- und Sicherheitspolitik. Militarisierung und Überwachung als Probleme der Ära Honecker. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 51(2003)11, S. 996–1021.
- Süß, Walter: Die Staatssicherheit im letzten Jahrzehnt der DDR (MfS-Handbuch). Berlin 2009.
Daniela Münkel